Frankfurt (Reuters) - Europas Aktienanleger treten nach der jüngsten Rekordrally auf die Bremse. Der Dax notierte am Dienstagvormittag 0,2 Prozent schwächer bei 17.672 Punkten.

Der EuroStoxx50 verlor 0,3 Prozent auf 4896 Zähler. Börsianern zufolge trauten sich die Investoren im Vorfeld der am Mittwoch beginnenden Anhörungen von US-Notenbankchef Jerome Powell vor dem Kongress nicht aus der Deckung.

Powell dürfte in seiner Rede erneut bekräftigen, dass er es nicht eilig habe, die Leitzinsen zu senken, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst von CMC Markets. Anleger rechneten momentan fest mit einer ersten Zinssenkung im Juni. "Grätscht Powell morgen dazwischen, könnte dies den Impuls für eine Korrektur im laufenden Bullenmarkt liefern." Die hartnäckige Inflation hatte die zum Jahreswechsel aufgekommenen Spekulationen auf eine noch frühere Zinswende bereits zunichte gemacht.

CHINAS ZIELE ÜBERZEUGEN NICHT

Wenig beeindrucken konnte zudem die Regierung in China die Anleger mit ihren Wachstumszielen. Peking kündigte zum Auftakt des Nationalen Volkskongress am Dienstag an, auch in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund fünf Prozent wie im Vorjahr anzupeilen. Hoffnungen der Investoren auf ein großes Konjunkturpaket wurden nicht erfüllt. Die Börse in Hongkong rutschte um 2,7 Prozent ab.

"Im Großen und Ganzen bleibt die staatliche Botschaft die gleiche, was möglicherweise wenig dazu beiträgt, die Stimmung der Anleger zu heben - kein Bazooka-Konjunkturpaket angesichts der Schuldensorgen und der Absicht, das Wachstum stabil zu halten", sagte Alex Loo, Makrostratege bei TD Securities.

Auch an den Rohstoffmärkten machte sich die Enttäuschung der Anleger bemerkbar. Spekulationen auf eine schwächere Ölnachfrage Chinas drückten die Preise für die Nordseesorte Brent und US-Leichtöl WTI um 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent auf 82,54 und 78,36 Dollar je Fass. Auch Industriemetalle wie Aluminium und Nickel gaben nach. Der Goldpreis zog hingegen um 0,6 Prozent auf 2127 Dollar je Feinunze an. Damit rückt das Allzeithoch von Dezember immer näher. Die Cyberdevise Bitcoin robbte sich ebenfalls an seine Rekordmarke heran und lag mit 68.828 Dollar nicht weit entfernt. Anschließend bröckelten die Kurse aber etwas ab.

Zu den größten Verlierern zählten europaweit Aktien aus den Sektoren Automobil sowie Reise und Touristik. Bei den deutschen Aktien rutschten Bayer an seinem Kapitalmarkttag auf den tiefsten Stand seit mehr als 18 Jahren. Die Titel fielen um bis zu 3,1 Prozent auf 27,21 Euro. Der Pharma- und Agrarkonzern ist durch Wertminderungen in seiner Sparte Crop Science 2023 tief in die Verlustzone gerutscht. Bayer-Chef Bill Anderson hält eine mögliche Aufspaltung auf Jahre hinaus für unwahrscheinlich. Er sagte, dass die meisten Investoren verstanden hätten, dass die zu erwartenden Kosten momentan dagegen sprächen.

Mehr als sieben Prozent nach oben ging es dagegen für Redcare Pharmacy. Die Online-Apotheke peilt im laufenden Jahr ein Umsatzwachstum von 30 bis 40 Prozent an. Auch Ströer lockte die Anleger an. Die Aktien stiegen um bis zu neun Prozent und markierten mit 57,10 Euro den höchsten Stand seit knapp zwei Jahren. Der Werbeflächenvermarkter hat im vergangenen Jahr trotz Konjunkturflaute einen Rekordumsatz erzielt und seinen Gewinn gesteigert.

An der Pariser Börse stiegen die Aktien von Thales um rund acht Prozent auf ein Rekordhoch von 150,05 Euro. Der Verteidigungs- und Technologiekonzern verbuchte im Jahr 2023 starke Auftragseingänge. Auch der freie Cash Flow habe sich besser entwickelt als erwartet, sagten die Analysten von Citi.

(Bericht von Anika Ross, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)