Frankfurt (Reuters) - Im Vorfeld großer Notenbank-Entscheidungen haben sich Europas Anleger zum Wochenschluss nicht aus der Deckung getraut.

Dem Dax ging nach dem Sprung auf ein neues Jahreshoch schnell die Puste aus. Der deutsche Leitindex notierte am Nachmittag 0,2 Prozent höher bei 15.826 Zählern. Zeitweise war er mit 15.919,47 Punkten wieder in Reichweite der 16.000-Punkte-Marke gewesen. Der EuroStoxx50 notierte 0,6 Prozent schwächer bei 4333 Punkten.

In den USA zeichneten sich vorbörslich ebenfalls Kursverluste ab, nachdem Online-Riese Amazon die Investoren mit widersprüchlichen Aussagen zum wichtigen Cloud-Geschäft verunsicherte. Die jüngsten US-Inflationsdaten zeigten indes eine abgeschwächte Teuerungsrate beim privaten Verbrauch. Langsamer steigende Lebensmittelpreise drückten die deutsche Inflationsrate im April auf den niedrigsten Stand seit acht Monaten.

Analysten zufolge sorgte vor allem die Unklarheit über den weiteren Kurs der Notenbanken für Zurückhaltung unter den Anlegern. In der nächsten Woche stehen die Zinsentscheide der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank an. "An der Erwartung nochmal steigender Zinsen wird kaum zu rütteln sein", befanden die Analysten der Helaba. "Mehrheitlich gehen die Akteure von jeweils 25 Basispunkten sowohl bei der EZB als auch bei der Fed aus."

MÄRKTE BRÖCKELN NACH BIP-DATEN AB

Anleger befürchten, dass die seit Monaten steigenden Zinsen im Kampf gegen die Inflation der Konjunktur zu stark zusetzen könnten. Die Euro-Zone ist im ersten Quartal nur leicht gewachsen. Hierzulande ist die Wirtschaft nur haarscharf an der lange befürchteten Winterrezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von Januar bis März zum Vorquartal - Ökonomen hatten im Schnitt ein Wachstum von 0,2 Prozent erwartet. "Das Ergebnis bestätigt, dass wir weiterhin auf einer konjunkturellen Durststrecke unterwegs sind", urteilte LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch. Man dürfe "die steigenden Leitzinsen in den Industrieländern nicht außer Acht lassen. In den USA hat sich ja bereits eine gewisse Konjunkturabkühlung manifestiert." Der Euro fiel um bis zu 0,6 Prozent auf ein Tagestief von 1,0961 Dollar.

Bei den Dax-Werten ragten Covestro mit einem Plus von 8,4 Prozent auf ein Sieben-Wochen-Hoch von 39,78 Euro heraus. Für den Kunststoffkonzern verläuft das Jahr dank niedrigerer Energiekosten und Einsparungen glimpflicher als zunächst befürchtet.

Im Sturzflug befanden sich dagegen die Titel von ProSiebenSat1 nach einer massiven Dividendenkürzung und einer Trennung mit sofortiger Wirkung von Finanzchef Ralf Gierig. Die Aktien rutschten im MDax in der Spitze um fast 19 Prozent auf 7,92 Euro ab und steuerten auf den größten Tagesverlust seit 15 Jahren zu.

An der Stockholmer Börse legte der Hausgerätedarsteller Electrolux einen deutlichen Kurssprung hin. Operativ stand im ersten Quartal zwar ein Verlust von 256 Millionen Schwedischen Kronen (22,6 Millionen Euro) in den Büchern - dieser fiel jedoch geringer aus als von Analysten erwartet. Die Aktie stieg um mehr als neun Prozent.

Eine enttäuschende Entwicklung bei Umsatz und Kundenzustrom drückte die Aktien der Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile im vorbörslichen US-Geschäft hingegen um rund drei Prozent.

(Bericht von: Anika Ross, Daniela Pegna. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)