Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich bei seinen Beratungen am 14. und 15. Dezember 2022 nur deshalb auf einen Zinsschritt von nur 50 Basispunkten einigen können, weil zugleich weitere starke Zinserhöhungen in Aussicht gestellt wurden. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll der Sitzung hervorgeht, wollten ursprünglich viele Ratsmitglieder einen Schritt von 75 Basispunkten und einige hielten bis zum Schluss an dieser Forderung fest.

"Zahlreiche Mitglieder sprachen sich zunächst für eine Anhebung der EZB-Leitzinsen um 75 Basispunkte aus, da die Inflation eindeutig zu lange auf einem zu hohen Niveau verharrt habe und die derzeitigen Markterwartungen und Finanzbedingungen einer rechtzeitigen Rückkehr zum Inflationsziel der EZB von 2 Prozent eindeutig entgegenstünden", heißt es in dem Protokoll.

Der am Ende beschlossene Zinsschritt von 50 Basispunkten entsprach den weithin gehegten Erwartungen, fiel aber offenbar knapper aus als angenommen. Bei den beiden vorangegangen Sitzungen hatte die EZB ihre Zinsen um je 75 Basispunkten angehoben.

Die Falken unter den Ratsmitgliedern forderten, dass der Zins erneut stärker als an den Märkten erwartet, also um 75 Basispunkte erhöht werden müsse. Einige Ratsmitglieder willigten aber ein, einem kleineren Zinsschritt zuzustimmen, wenn sich eine Mehrheit dafür fände, weitere "signifikante und stetige" Zinsschritte zu signalisieren.

An dem Finanzmärkten war das richtigerweise als Versuch interpretiert worden, die in den Wochen zuvor eingetretene Lockerung der Finanzierungsbedingungen rückgängig zu machen, wie das Protokoll zeigt.

Zuletzt waren aber wieder Zweifel am harten Kurs der EZB aufgekommen, nachdem Bloomberg unter Berufung auf namentlich nicht genannte EZB-Offizielle berichtet hatte, dass für März mit einem Zinsschritt von nur noch 25 Basispunkten geliebäugelt werde.

In einem Panel beim Weltwirtschaftstreffen in Davos versicherte Lagarde jedoch, dass die EZB hart bleiben werde. "Wir werden Kurs halten, bis wir lange genug in restriktivem Territorium waren, um die Inflation rechtzeitig auf 2 Prozent zu senken", sagte sie.

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January 19, 2023 08:08 ET (13:08 GMT)