STRASSBURG (AFP)--Im Streit um die Freigabe von EU-Geldern an Ungarn bereitet das Europaparlament eine Klage gegen die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der Rechtsausschuss des Parlaments solle "sobald wie möglich die nötigen Schritte" einleiten, heißt es in einer in Straßburg beschlossenen Entschließung. Die Abgeordneten forderten außerdem, dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban das Stimmrecht im Rat zu entziehen.

Abgeordnete mehrerer Fraktionen äußerten "ernsthafte Bedenken" hinsichtlich der Entscheidung der EU-Kommission, Gelder in Höhe von 10,2 Milliarden Euro an die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban freizugeben. Ungarn erfülle trotz jüngster Reformen nicht die europäischen Standards bei der Unabhängigkeit seiner Justiz. Für die Vorbereitung einer Klage vor dem EuGH stimmte eine breite Mehrheit aus Abgeordneten der Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken.

Solange Gerichtsurteile in Ungarn "über Nacht per Dekret abgeändert" werden könnten, gebe es weiter "schwerwiegende" Bedenken an der Rechtsstaatlichkeit in dem EU-Staat, erklärte die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier. Um gegen die Entscheidung der Kommission vorzugehen, bleibe dem Europaparlament nur der Gang vor den EuGH.

Die Kommission hatte kurz vor dem EU-Gipfel im Dezember 10,2 Milliarden Euro aus der eingefrorenen Regionalförderung an Ungarn freigegeben. Kritiker vermuteten dahinter einen Deal, um Orban zur Aufhebung seines Vetos gegen geplante Milliardenhilfen für die Ukraine zu bewegen. Beim Gipfel im Dezember hielt er seine Blockade jedoch aufrecht.

In einem weiteren Antrag forderten die EU-Abgeordneten, der ungarischen Regierung das Stimmrecht im Rat der Europäischen Union zu entziehen. Das sei "die einzige konsequente Antwort", um Orbans "ewige Erpressungsversuche zu unterbinden", erklärte die Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD). Für einen Stimmrechtsentzug müssten außer Ungarn jedoch alle übrigen EU-Mitglieder zustimmen, eine solche Mehrheit gibt es nach derzeitigem Stand nicht.

Die Staats- und Regierungschefs beraten Anfang Februar erneut über die Ukraine-Hilfen, Orban forderte inzwischen die Freigabe weiterer Mittel in Milliardenhöhe. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich am Mittwoch jedoch optimistisch gezeigt: "Ich bin zuversichtlich, dass eine Lösung mit allen 27 EU-Ländern möglich ist", sagte sie vor dem Europaparlament in Straßburg.

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January 18, 2024 07:39 ET (12:39 GMT)