Kommentare, Einschätzungen und Entwicklungen zur Energieversorgung und -sicherheit in Deutschland:


Habeck: Beim Gassparen ist europäische Solidarität wichtiger denn je 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich hinter die Vorschläge der EU-Kommission zu Gaseinsparungen und die Möglichkeit zu verpflichtenden Nachfragereduktionen gestellt. "Europäische Solidarität ist in diesen Zeiten wichtiger denn je. Wir müssen enger zusammenarbeiten, um in Gaskrisensituationen gemeinsam besser agieren zu können. Denn wenn die Gasversorgung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Schwierigkeiten gerät, dann hat das letztlich Auswirkungen auf alle EU-Länder", so Habeck. Daher müsse man als Europäische Union gemeinsam die Vorsorge stärken. Ein entscheidender Hebel sei es, den Gasverbrauch zu reduzieren. "Daran müssen wir alle mit ganzer Kraft arbeiten", so Habeck.


BDEW fordert enge EU-Abstimmung bei der Gasverbrauchsreduktion 

Die deutsche Energiewirtschaft hat nach den EU-Vorschlägen zur Gasverbrauchsreduktion eine enge europäische Abstimmung gefordert. "Mit Blick auf eine drohende Verschärfung der Gasliefersituation in vielen Mitgliedstaaten brauchen wir eine gemeinsame europäische Kraftanstrengung", erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Es ist daher gut, dass die EU-Kommission nun Vorschläge vorgelegt hat, um alle Mitgliedsstaaten dazu zu bewegen, verstärkt Gas einzusparen. Entscheidend ist, dass das eingespeicherte Gas genutzt wird, um die Gasspeicher aufzufüllen." Deutschland habe viele der vorgeschlagenen Instrumente schon im Einsatz oder sie würden zu Zeit auf den Weg gebracht. Wichtig sei, dass alle Länder die Vorschläge der EU-Kommission aufgreifen und den Instrumentenkasten nach ihren jeweiligen Gegebenheiten zügig umsetzen.


Ministerium: Gas-Unabhängigkeit von Russland durch nationalen Kraftakt 

Deutschland hat seine Abhängigkeit von russischem Gas in den vergangenen Monaten deutlich reduziert. Aber es wird nach Einschätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums eines nationalen Kraftakts bedürfen, um sich ganz von den russischen Gaslieferungen zu befreien. Laut dem "Dritter Fortschrittsbericht Energiesicherheit" des Wirtschaftsministeriums ist der Anteil russischer Gaslieferungen bis Ende Juni auf 26 Prozent von zuvor 55 Prozent gesunken.


EU soll Gasnachfrage bis März um 15 Prozent senken 

Angesichts drohender russischer Gaslieferstopps soll die Europäische Union ihre Gasnachfrage bis März um 15 Prozent senken. Das sieht ein Brüsseler Vorschlag vor, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorstellte. Für den Notfall strebt die Kommission Sondervollmachten an, um in Europa noch drastischere Maßnahmen erzwingen zu können. Russland erpresse die EU und nutze Gas "wie eine Waffe", sagte von der Leyen zur Begründung.


Bundesregierung fordert von Russland Einhaltung zugesagter Gaslieferungen 

Die Bundesregierung hat vor Ablauf der Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 Russland an seine vertraglichen Verpflichtungen zur Wiederaufnahme der Gaslieferungen erinnert. Die zehntägigen Wartungsarbeiten sollten nach ursprünglichen Planungen des Betreibers am Mittwoch abgeschlossen werden. Die Bundesregierung geht "davon aus", dass nach Ablauf der Wartungsfrist an Nord Stream 1 das Gas "im vollen Umfang" fließen wird und Russland sich "an die Verträge hält", wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann erklärte.


Putin sendet widersprüchliche Signale zu Gaslieferungen 

Der russische Präsident Wladimir Putin hat angedeutet, dass Moskau die Nord-Stream-1-Pipeline nach Europa am Donnerstag wieder in Betrieb nehmen wird. Er warnte jedoch auch davor, dass der Gasfluss kurz darauf gedrosselt werden könnte, wenn Sanktionen weitere Wartungsarbeiten an den Anlagen verhinderten. Nord Stream 1, die Hauptschlagader für russisches Gas nach Europa, ist derzeit wegen regelmäßiger Wartungsarbeiten außer Betrieb, und die europäischen Regierungen sind besorgt, dass der Kreml den Durchfluss nicht wiederherstellen wird, wenn die Arbeiten am Donnerstag beendet sind.


Bundesregierung will Vorfahrt für Güterzüge mit Kohle und Öl 

Wegen der kritischen Energiesituation will die Bundesregierung den Transport von Kohle und Öl per Bahn beschleunigen. Entsprechende Güterzüge sollten "Vorrang im Netz erhalten", sagte Verkehrs-Staatssekretär Michael Theurer (FDP) der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Eine entsprechende Regelung sei in Arbeit. Der vorrangige Transport auf der Schiene solle die Beförderung auf den Wasserwegen ergänzen. "Wir müssen auch bei niedrigen Pegelständen für die Schifffahrt sicherstellen, dass Öl- und Kohlekraftwerke ausreichende Nachschub erhalten", sagte Theurer. Erst zu Monatsbeginn hatte der Bundestag beschlossen, Kohlekraftwerke wieder aus der sogenannten Reserve herauszunehmen. Dies wird auch das entsprechende Güterverkehrsaufkommen erhöhen.


Militärexperte erwartet russischen Gasstopp erst für Herbst 

Der Militär- und Sicherheitspolitikexperte Carlo Masala erwartet, dass Russland frühestens im Herbst die Gaslieferungen einstellt und die Pipeline Nord Stream 1 bald wieder freigibt. "Ich glaube, dass Putin zum jetzigen Zeitpunkt nicht das Gas abdreht, sondern reduziert weiterlaufen lässt", sagte der Münchner Professor der Augsburger Allgemeinen. "Wahrscheinlicher ist es eher, dass Russland im Herbst die Gaslieferungen stoppt", warnte Masala. Damit könnte Russlands Präsident Wladimir Putin mehr Druck auf die europäische Politik ausüben. "Bis Herbst könnte es Russland gelingen, die militärische Kontrolle über den gesamten Donbass zu erlangen", sagte Masala. "Dann könnte Putin einen Waffenstillstand unter seinen Bedingungen anbieten." In dieser Gemengelage - hoher Inflation, ausbleibende Gaslieferungen plus das konkrete Angebot eines Waffenstillstands - bestehe eine große Gefahr, dass die gesellschaftliche Stimmung in Europa kippe, um Russland Zugeständnisse zu machen.


Putin: Gazprom wird seine Verpflichtungen "vollständig" erfüllen 

Der russische Gaskonzern Gazprom wird laut Russlands Präsident Wladimir Putin seine Verpflichtungen "in vollem Umfang" erfüllen. "Gazprom hat seine Verpflichtungen erfüllt, erfüllt sie jetzt und wird sie auch in Zukunft erfüllen", sagte Putin nach einem Gipfeltreffen am Dienstag mit der Türkei und dem Iran in Teheran. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und der westlichen Sanktionen hatte Gazprom die Lieferungen nach Europa zuletzt bedeutend reduziert.


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July 20, 2022 10:18 ET (14:18 GMT)