PRESSEKONFERENZ 10. Januar 2013 EINLEITENDE BEMERKUNGEN

Sehr geehrte Damen und Herren, der Vizepräsident und ich freuen uns sehr, Sie zu unserer Pressekonferenz begrüßen zu dürfen. Zunächst wünsche ich Ihnen allen ein gutes neues Jahr. Wir werden Sie nun über die Ergebnisse der heutigen Sitzung des EZB-Rats informieren.
Auf der Grundlage seiner regelmäßigen wirtschaftlichen und monetären Analyse hat der EZB-Rat heute beschlossen, die Leitzinsen der EZB unverändert zu belassen. Die am HVPI gemessenen Teuerungsraten sind in den letzten Monaten wie erwartet zurückgegangen und dürften in diesem Jahr unter die 2 %-Marke fallen. Über die geldpolitisch relevante Frist dürfte der Preisdruck gedämpft bleiben. Die Grunddynamik der monetären Expansion ist nach wie vor verhalten. Die Inflationserwartungen für das Eurogebiet bleiben fest auf einem Niveau verankert, das mit unserem Ziel im Einklang steht, die Preissteigerung auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % zu halten. Die Konjunkturschwäche im Euroraum dürfte sich bis in das laufende Jahr hinein fortsetzen. Insbesondere die notwendigen Bilanzanpassungen im finanziellen und nichtfinanziellen Sektor sowie die anhaltende Unsicherheit werden die Wirtschaftsentwicklung weiterhin belasten. Im weiteren Jahresverlauf 2013 sollte sich die Konjunktur allmählich erholen. Vor allem sollte unser akkommodierender geldpolitischer Kurs zusammen mit dem deutlich gestiegenen Vertrauen an den Finanzmärkten und der nachlassenden Fragmentierung auf die Wirtschaft durchwirken, und die weltweite Nachfrage sollte sich erholen. Um das Vertrauen zu bewahren, kommt es entscheidend darauf an, dass die Regierungen haushaltspolitische wie auch strukturelle Ungleichgewichte weiter reduzieren und die
Restrukturierungen im Finanzsektor fortführen.

Übersetzung: Deutsche Bundesbank

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Gestatten Sie mir nun, unsere Einschätzung näher zu erläutern und dabei mit der wirtschaftlichen Analyse zu beginnen. Das reale BIP des Eurogebiets sank im dritten Jahresviertel 2012 um 0,1 % gegenüber dem Vorquartal, nachdem es im vorangegangenen Vierteljahr um 0,2 % zurückgegangen war. Die verfügbaren Statistiken und Umfrageindikatoren signalisieren nach wie vor eine erneut schwache Wirtschaftstätigkeit, die sich bis in das laufende Jahr hinein fortsetzen dürfte, was den negativen Auswirkungen des geringen Verbraucher- und Anlegervertrauens auf die inländische Verwendung sowie der gedämpften Auslandsnachfrage zuzuschreiben ist. Allerdings haben sich in jüngster Zeit verschiedene Konjunkturindikatoren weitgehend stabilisiert (wenn auch auf niedrigem Niveau), und das Vertrauen an den Finanzmärkten hat merklich zugenommen. Im weiteren Jahresverlauf 2013 sollte eine allmähliche Erholung einsetzen, getragen von der Wirkung unseres akkommodierenden geldpolitischen Kurses, des deutlich gestiegenen Vertrauens an den Finanzmärkten und der nachlassenden Fragmentierung auf die private inländische Verwendung sowie von dem durch eine Belebung der Auslandsnachfrage gestützten Exportwachstum.
Die Risiken für den Wirtschaftsausblick im Eurogebiet sind nach wie vor abwärtsgerichtet. Sie ergeben sich vor allem aus einer langsamen Umsetzung von Strukturreformen im Euroraum, geopolitischen Konflikten sowie Ungleichgewichten in großen Industrieländern. Diese Faktoren könnten die Stimmung länger als derzeit angenommen eintrüben und die Erholung bei privaten Investitionen, Beschäftigung und Konsum weiter verzögern.
Der Vorausschätzung von Eurostat zufolge belief sich die jährliche HVPI-Teuerungsrate für das
Eurogebiet im Dezember 2012 wie bereits im November auf 2,2 %, nachdem sie im Oktober bei
2,5 % und im August und September bei jeweils 2,6 % gelegen hatte. Angesichts der aktuellen Preise der Öl-Terminkontrakte wird ein weiterer Rückgang der Preissteigerungsraten auf unter 2 % im laufenden Jahr erwartet. Über die geldpolitisch relevante Frist dürfte der zugrunde liegende Preisdruck vor dem Hintergrund einer schwachen Konjunkturlage im Euroraum und fest verankerter langfristiger Inflationserwartungen gedämpft bleiben.
Die Risiken in Bezug auf die Aussichten für die Preisentwicklung werden mittelfristig als weitgehend ausgewogen angesehen, wobei sich Abwärtsrisiken aus einer schwächeren Konjunktur und Aufwärtsrisiken aus höheren administrierten Preisen und indirekten Steuern sowie aus einem Anstieg der Ölpreise ergeben.
Was die monetäre Analyse anbelangt, so bleibt die Grunddynamik der monetären Expansion verhalten. Die Jahreswachstumsrate der Geldmenge M3 blieb im November 2012 weitgehend unverändert und belief sich auf 3,8 % nach 3,9 % im Oktober. Maßgeblich für das M3-Wachstum war weiterhin eine Präferenz für liquide Anlagen; das Wachstum der Geldmenge M1 erhöhte sich
aufgrund von Mittelzuflüssen bei den täglich fälligen Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller

Übersetzung: Deutsche Bundesbank

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Kapitalgesellschaften erneut, und zwar von 6,5 % im Oktober auf 6,7 % im November. Im Gefolge unserer geldpolitischen Sondermaßnahmen sowie der von anderen politischen Entscheidungsträgern ergriffenen Maßnahmen war eine breit angelegte Zunahme der Einlagenbasis der MFIs in einer Reihe von Ländern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren, zu beobachten. Dies ermöglichte es mehreren MFIs, ihre Refinanzierung über das Eurosystem weiter zu verringern, und trug dazu bei, die Segmentierung der Finanzmärkte abzubauen. Das M3-Wachstum wurde außerdem von Kapitalzuflüssen in das Eurogebiet gefördert, was sich in einem deutlichen Anstieg der Nettoforderungen der MFIs im Euroraum an Ansässige außerhalb des Euro-Währungsgebiets widerspiegelt.
Das Kreditwachstum änderte sich kaum und blieb im November schwach. Die um Kreditverkäufe und -verbriefungen bereinigte jährliche Zuwachsrate der Buchkredite an den privaten Sektor lag im Berichtsmonat unverändert bei -0,5 %. Hinter dieser Entwicklung verbarg sich eine erneute Nettotilgung von Buchkrediten an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften. Diese fiel jedoch geringer als in den Vormonaten aus; sie belief sich im November auf 4 Mrd €, verglichen mit 7 Mrd € im Oktober und 21 Mrd € im September. Die Jahresänderungsrate der Buchkredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften betrug im November -1,4 % gegenüber -1,5 % im Oktober. Die Jahreswachstumsrate der MFI-Kreditvergabe an private Haushalte blieb im Berichtsmonat ebenfalls weitgehend gleich und betrug 0,7 %. Die verhaltene Entwicklung der Kreditvergabe ist weitgehend Ausdruck der aktuellen Konjunkturlage, des erhöhten Kreditrisikos sowie der anhaltenden Bilanzanpassungen bei den privaten Haushalten und den Unternehmen.
Zur Gewährleistung einer angemessenen Transmission der Geldpolitik auf die Finanzierungsbedingungen in den Ländern des Eurogebiets ist es wichtig, dass die Widerstandsfähigkeit der Banken erforderlichenfalls weiter erhöht wird. Die Solidität der Bankbilanzen wird von wesentlicher Bedeutung sein, wenn es darum geht, sowohl eine angemessene Bereitstellung von Krediten an die Wirtschaft als auch die Normalisierung aller Finanzierungskanäle zu unterstützen. Entschiedene Maßnahmen zur Schaffung eines integrierten Finanzrahmens werden dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Der künftige einheitliche Aufsichtsmechanismus ist in diesem Zusammenhang einer der wichtigsten Bausteine. Er stellt einen entscheidenden Schritt auf dem Weg hin zu einer Reintegration des Bankensystems dar.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Preise der wirtschaftlichen Analyse zufolge auf mittlere Sicht weiterhin im Einklang mit Preisstabilität entwickeln dürften. Die Gegenprüfung anhand der Signale aus der monetären Analyse bestätigt dieses Bild.
Andere wirtschaftspolitische Bereiche werden zusätzliche Beiträge leisten müssen, um eine solide
Stabilisierung der Finanzmärkte und eine Verbesserung der Wachstumsaussichten zu gewährleisten. Weitere Strukturreformen sollten rasch umgesetzt werden, damit das Euro-Währungsgebiet zu

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einem flexibleren, dynamischeren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaftsraum werden kann. Insbesondere sind zur Steigerung des Wettbewerbs und der Wettbewerbsfähigkeit Reformen an den Gütermärkten geboten, die mit Maßnahmen für eine bessere Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte einhergehen sollten. Diese Reformen werden das Wachstumspotenzial und die Beschäftigung im Euro-Währungsgebiet erhöhen und die Anpassungsfähigkeit der Länder des Euroraums verbessern. Zudem werden sie die bei den Lohnstückkosten und bei den Leistungsbilanzungleichgewichten erzielten Fortschritte weiter vorantreiben. Was die Fiskalpolitik betrifft, so sollte der zuletzt deutliche Rückgang der Staatsanleiherenditen durch weitere Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung unter Einhaltung der im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingegangenen Verpflichtungen unterstützt werden.

Wir sind nun gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten.

Europäische Zentralbank Generaldirektion Kommunikation und Sprachendienst Abteilung Presse und Information

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