Berlin (Reuters) - Die Materialengpässe treffen einer DIHK-Umfrage zufolge den Welthandel immer stärker und damit auch exportorientierte Firmen aus Deutschland.

Mehr als die Hälfte von ihnen berichtet wegen der Corona-Pandemie von Problemen in Lieferketten und Logistik, erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Dienstag zur Studie unter 3200 deutschen Firmen im Ausland. Dies seien viel mehr als noch im Frühjahr. "Eine steigende weltweite Nachfrage trifft derzeit auf zu geringe Produktionskapazitäten und Transportprobleme", erläuterte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Viele Firmen reagierten mit der Suche nach neuen Lieferanten oder wollten Produktion verlagern. Dies falle Mittelständlern schwieriger als großen Konzernen.

Rund 30 Prozent beklagen fehlende Waren und Dienstleistungen, jedes fünfte Unternehmen leidet unter eigenen Produktionseinbußen etwa durch Krankheitsausfälle. Gründe für die Probleme seien etwa der Mangel an Containern und Frachtkapazitäten auf Schiffen sowie Produktionsausfälle. "Die Lieferkettenstörungen gehen aber auch auf gravierende handelspolitische Verwerfungen zurück, wie zum Beispiel auf Vorschriften des Zwangs zu lokaler Produktion", sagte Treier. Dies gelte etwa für China, wo deutsche Firmen versuchten, den Wertschöpfungsanteil ihrer Waren mit Produkten vor Ort zu erhöhen. Für kleinere und mittlere Unternehmen werde dies zunehmend schwieriger. Treier machte aber auch klar. "Das Land und der Markt sind zu groß, als dass sie das kalten Herzens aufgeben können." Mittelständler würden deshalb vor allem andere Lieferanten suchen - aus Asien, aber nicht aus China.

Vom Trend, die Lieferketten zu diversifizieren oder die Transportwege zu verkürzen, profitiert auch Osteuropa. So werden laut Treier Standorte wie die Ukraine und Serbien attraktiver. Dies gelte auch für die Türkei, wobei dort der Währungsverfall und das Thema Rechtssicherheit für Probleme sorgten.

Rund 54 Prozent der Unternehmen planen, Lieferketten anzupassen oder haben dies bereits getan. Von diesen Firmen suchen fast drei Viertel neue oder zusätzliche Lieferanten und ein Drittel plant, die Lieferwege zu verkürzen oder zu verändern. Rund 15 Prozent haben vor, die eigene Produktion zu verlagern. Besonders gravierend ist die Lage nach dem Brexit für deutsche Firmen in Großbritannien. "Hier müssen insgesamt 77 Prozent der Unternehmen ihre Lieferketten anpassen."

DIHK FÜR REFORMEN DER WELTHANDELSORGANISATION WTO

Die Wirtschaft hofft, dass es bei der am 30. November startenden 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf gelingt, langjährige Verhandlungsblockaden zu lösen. "Zwei Drittel aller außereuropäischen Exporte deutscher Unternehmen beruhen allein auf WTO-Regeln", sagte Treier. Diese hätten mit den großen wirtschaftlichen Veränderungen vergangener Jahre aber nicht Schritt gehalten. Konkret regt der DIHK an, den blockierten Mechanismus zur Streitbeilegung wieder zu reaktivieren. Zudem könnte ein WTO-Gesundheitsabkommen dazu beitragen, Handelshemmnisse für Corona-relevante Produkte wie Impfstoffe, Medikamente oder Gesundheitsgüter abzuschaffen sowie Zölle und Exporteinschränkungen abzubauen.

Treier gab sich aber zurückhaltend. Es sei schon positiv, wenn eine breite Mehrheit bei der Konferenz hinter der WTO stehe. Ein "Klasse-Erfolge" wäre, wenn sogenannte plurilaterale Ansätze - auch wenn sie nicht gewünscht seien - zumindest toleriert würden, um künftig Regeln zu setzen.