Peking (Reuters) - Der Verfall der Immobilienpreise in China treibt Regierung und Notenbank zu einer umfassenden Stabilisierungsaktion.

Als Alarmzeichen gilt, dass die Preise für neue Eigenheime im April im Monatsvergleich um 0,6 Prozent und damit doppelt so stark wie im März fielen. Dies ist laut Berechnungen von Reuters der stärkste Rückgang seit November 2014. Die Preise sinken laut Angaben des Statistikamts vom Freitag bereits zehn Monate in Folge. Die Zentralbank versucht den Abwärtstrend nun zu stoppen, indem die Kosten für Hypotheken gedrückt werden. Zudem will die Führung in Peking mit einer als "historisch" deklarierten Initiative gegensteuern: Regionale Regierungen sollen Immobilien zu "vernünftigen Preisen" erwerben können, um erschwinglichen Wohnraum zu schaffen.

Vizeministerpräsident He Lifeng gab dies nach einer Online-Konferenz mit Behördenvertretern bekannt, ohne indes nähere Details zur Finanzierung der Vorhaben oder einen Zeitplan zu nennen. Er sagte, dass die mit insgesamt rund neun Billionen Dollar (8,27 Billionen Euro) verschuldeten Regionalregierungen an Immobilienentwickler veräußertes Land zurückkaufen könnten. Zudem kündigte er an, "hart dafür zu kämpfen", dass liegengebliebene Bauprojekte endlich fertiggestellt würden.

Laut LBBW-Analyst Sandro Pannagl ist der Vorstoß der Regierung geeignet, das teilweise Überangebot am Markt zu reduzieren. Gleichzeitig stelle er eine Liquiditätshilfe für in Not geratene Immobilienentwickler dar: "Damit die Intervention aber Erfolg hat, müsste sie einen relativ großen Umfang annehmen." Der überhitzte chinesische Immobilienmarkt, der für ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts steht, ist seit Jahren in der Krise. Die Behörden haben ihre Bemühungen seit 2022 verstärkt, den Sektor zu stabilisieren, der eine wichtige Triebfeder der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist. Aber eine nennenswerte Erholung blieb bisher aus.

KAMPAGNE LÄUFT INS LEERE

Eine jüngste Kampagne, die die Chinesen dazu ermutigen soll, alte Wohnungen durch neue zu ersetzen, lief bislang weitgehend ins Leere. Der Besitz einer Wohnung ist im Reich der Mitte ein hohes Gut. Vorige Woche hoben zwei Provinzhauptstädte - Hangzhou und Xian - sämtliche Beschränkungen für den Eigenheimkauf auf, um Käufer anzulocken und ihre schwächelnden Immobilienmärkte zu stützen. Investoren rechnen damit, dass weitere Megastädte diesem Beispiel folgen werden. In einem Land, das mit demografischen Problemen zu kämpfen hat und in dem bereits 96 Prozent der Haushalte mindestens eine Wohnimmobilie besitzen, ist jedoch langfristig die Nachfrage nach Wohnraum mit erheblichen Fragezeichen versehen.

"MUTIGER SCHRITT"

Die nunmehr angekündigten Maßnahmen zeigten, dass die Behörden erkannt hätten, dass die Situation auf dem Immobilienmarkt dringend angegangen werden müsse, sagte Raymond Yeung, Chefökonom für Großchina bei der Bank ANZ. "Das ist ein mutiger Schritt", fügte er hinzu: "Aber ob alle lokalen Regierungen die finanzielle Kapazität haben werden, den zentralen Auftrag zu erfüllen, ist eine offene Frage."

Goldman Sachs schätzt den Wert an absatzfähigen Wohnimmobilien Ende 2023 auf 13,5 Billionen Yuan (rund 1,72 Billionen Euro). Da einige Bauvorhaben noch nicht abgeschlossen sind, wären für deren Fertigstellung demnach Kapitalinvestitionen in Höhe von fünf Billionen Yuan erforderlich.

Auch Chinas Notenbank setzt den Hebel an, um den Immobiliensektor zu beleben. Hierzu soll eine Kreditlinie für bezahlbaren Wohnraum in Höhe von 300 Milliarden Yuan (38,19 Milliarden Euro) geschaffen werden. Ziel sei es, örtliche Staatsunternehmen dabei zu unterstützen, nicht verkaufte Häuser zu einem angemessenen Preis zu erwerben, sagte Vizenotenbankchef Tao Ling. Darüber hinaus sollen Zinssätze für Hypothekendarlehen und die Anzahlungsquote für Eigenheimkäufer sinken. Demnach wird der Mindestzinssatz für Hypotheken auf Erst- und Zweitwohnsitze auf nationaler Ebene abgeschafft. Und die lokalen Ableger der Zentralbank können den Mindestzinssatz für gewerbliche Baufinanzierungen eigenständig festlegen.

TRUDELNDER IMMOBILIENENTWICKLER

Chinas CSI 300-Immobilienindex stieg nach den Ankündigungen der Führung in Peking um fast neun Prozent. Doch die ungelösten Probleme großer Immobilienentwickler werfen ein Schlaglicht auf die heikle Lage in dem Sektor: Ein Gericht in Hongkong befasst sich derzeit mit einem Antrag auf Liquidation des trudelnden Immobilienentwicklers Country Garden. Die Verhandlung wurde allerdings auf den 11. Juni vertagt. Ein Hongkonger Gericht hatte Ende Januar die Abwicklung von China Evergrande angeordnet, der am höchsten verschuldeten Immobiliengesellschaft der Welt. Country Garden ist gemessen an der Zahl seiner Immobilienprojekte in China fast viermal so groß wie China Evergrande, hat aber weniger Schulden.

(Bericht von Liangping Gao, Clare Jim, Ella Cao und Ryan Woo, Ziyi Tang, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Liangping Gao und Clare Jim