Shanghai/Singapur (Reuters) - China stützt mit einer überraschend kräftigen Senkung des Schlüsselzinses für Hypotheken den angeschlagenen Immobilienmarkt und die maue Wirtschaft.

Die Zentralbank senkte den fünfjährigen Referenzsatz - die sogenannte Loan Prime Rate (LPR) - am Dienstag um einen viertel Prozentpunkt auf 3,95 Prozent. Derart kräftig war diese spezielle Stellschraube seit ihrer Einführung im Jahr 2019 noch nicht gelockert worden. Experten zeigten sich überrascht: "Das ist das größte Signal. Mit anderen Worten: Der größte Zinssenkungszyklus der Geschichte hat begonnen", sagte Analyst Yan Yuejin von der E-House China Research and Development Institution. Die Kürzung um 25 Basispunkte werde sich direkt auf den Immobiliensektor auswirken, indem die Hypothekenkosten gesenkt würden. Dennoch verpuffte die Zinssenkung an den Aktienmärkten in Fernost.

Anleger hielten den Schritt nicht für ausreichend, um die Aussichten für den angeschlagenen Immobilienmarkt und die Gesamtwirtschaft deutlich zu verbessern. "Die Märkte sind immer noch auf der Suche nach weiteren fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen, die insbesondere auf den Konsum abzielen", konstatierte Christopher Wong, Devisenstratege bei OCBC. Dennoch sei es ein Schritt in die richtige Richtung. "Dies ist eine deutliche Zinssenkung, die zeigt, dass es den politischen Entscheidungsträgern ernst ist."

IMMOBILIENKRISE LASTET AUF DER WIRTSCHAFT

Die Notenbank beließ jedoch den einjährigen LPR unverändert bei 3,45 Prozent. Die meisten neuen und ausstehenden Kredite in China basieren auf dem einjährigen LPR, während der fünfjährige Zinssatz die Preisgestaltung von Hypotheken steuert.

Der LPR wird normalerweise den besten Kunden der Banken gewährt. Er wird monatlich festgelegt, nachdem 20 bestimmte Geschäftsbanken ihre Zinsvorschläge bei der Zentralbank eingereicht haben. Die Volksrepublik hat seit dem Ende der Corona-Eindämmungsmaßnahmen Ende 2022 Probleme, an die starke Konjunktur von vor der Pandemie anzuknüpfen. Auf der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nach den USA lastet weiter die Immobilienkrise. Die Preise für Neubauten verzeichneten im Jahr 2023 den stärksten Rückgang seit neun Jahren.

Zudem sind viele Regionalregierungen, die große Summen in den Ausbau der Infrastruktur im Reich der Mitte gesteckt haben, massiv verschuldet. Zugleich bleibt der private Konsum verhalten. Um die Wirtschaft zu stützen, hat die Zentralbank erst jüngst den Reservesatz für Geschäftsbanken (RRR) gesenkt. Die Führung in Peking hat angekündigt, die Konjunktur weiter zu stützen.

(Bericht von by Winni Zhou und Tom Westbrook, Reuters-Marktteam, geschrieben von Reinhard Becker; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)