Brexit: Die heikle Frage der irischen Grenze
Ein neuer europäischer Gipfel zum Thema Brexit stellt die Grenzfrage zwischen der Republik Irland, einem Mitglied der Eurozone, und Nordirland, einer britischen Provinz, in den Mittelpunkt. Denn die Positionen der EU und Großbritannien sind bei diesem Thema weiterhin weit voneinander entfernt.
So schlägt die EU ein Sicherheitsnetz ("Backstop") vor, einen Sonderstatus für Nordirland, das auch nach 2020 in der Zollunion bleiben würde, im Gegensatz zum restlichen Großbritannien.
Aber Theresa May will unter dem Druck der Unionistischen Demokratischen Partei (DUP), die einige der am meisten euroskeptischen irischen Populisten zusammenbringt, und von der ihre Mehrheit im Parlament abhängt, die Integrität des britischen Territoriums bewahren. Für die extremistische Randpartei, die den europäischen Vorschlag einen "unentgeltlichen konstitutionellen Vandalismus" nennt, kommt es nicht in Frage, dass Nordirland von Brüssel und nicht von London verwaltet wird. Die DUP geht sogar soweit, Theresa May damit zu drohen, nicht für den britischen Haushalt zu stimmen und die Regierung implodieren zu lassen, wenn ihrem Wille in dieser Frage nicht nachgegeben wird.
Laut der Financial Times hat Michel Barnier, der Chefunterhändler für die EU, vorgeschlagen, die Übergangszeit um ein weiteres Jahr zu verlängern, um den Zeitdruck zu mildern und mehr Zeit für die Ausarbeitung künftiger Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu gewinnen.
Aber dieses neue Angebot beseitigt natürlich nicht die Meinungsverschiedenheiten über den Backstop, denn die Nordirland Frage wird nicht gelöst. Laut Donald Tusk ist ein Hard Exit "wahrscheinlicher denn je". Der Präsidentin des Europarats ersucht Theresa May um "konkrete Vorschläge", um aus der Sackgasse herauszukommen.
Unter Berücksichtigung der für die Ratifizierung durch die verschiedenen nationalen Parlamente erforderlichen Zeitspanne muss jedoch spätestens im Dezember eine Einigung erzielt werden, denn die Grenz- und Zollkontrollen müssen gegebenenfalls ab März wieder eingeführt werden. Wenn keine Einigung erzielt wird, könnte Großbritannien in der zweiten Jahreshälfte 2019 in eine Rezession stürzen.