Ändert die Fed den Ton? / Kommentar zur Reaktion der Finanzmärkte auf
irritierende Fed-Signale von Kai Johannsen
Frankfurt/M. (ots) - So etwas lässt die Finanzmärkte aufhorchen: Die
US-Notenbank lässt durchblicken, dass sie in Sachen Leitzinsanhebungen forscher
werden könnte. Sollten sich die Marktteilnehmer etwa auf eine 180-Grad-Drehung
im Vergleich zum bisher bekannten Verhalten der US-Währungshüter in Sachen
Verschärfung der Geldpolitik einstellen? Zweifel sind angebracht.

Die Protokolle zur jüngsten Fed-Sitzung legen im Urteil der Märkte nahe, dass
die Fed einen strafferen Kurs einschlagen könnte, als sie es bisher signalisiert
hat - und das inmitten der Corona-Pandemie, die derzeit durch das Aufkommen
neuer Virusmutationen gekennzeichnet ist, deren Auswirkungen und deren Resistenz
gegen die bisher vorhandenen Vakzine nicht verlässlich abschätzbar sind.
Angesichts des Inflationsschubs, der in den USA, aber auch in anderen Ländern zu
beobachten ist, könnte es laut Fed zu einer rascheren Zinsanhebung kommen. Doch
das ist nicht alles. Die US-Notenbank hat auch den Arbeitsmarkt im Blick. Die
Notenbanker thematisierten, dass es gerechtfertigt sein könnte, die Zinsen
sowohl früher als auch in schnellerem Tempo als bislang erwartet anzuheben. Es
könnte laut Fed zudem Sinn ergeben, mit der Verkleinerung der Notenbankbilanz
relativ zügig nach den ersten Zinserhöhungen zu beginnen.

Rolle rückwärts

Das klingt so gar nicht nach Fed-Ton. In der Vergangenheit hatte sie den Märkten
zwar nach Krisen in Aussicht gestellt, dass die Zeit des billigen Geldes nun zu
Ende gehen würde. Von einer forschen Herangehensweise konnte aber wahrlich nicht
die Rede sein, denn immer wieder wurde der Beginn der Straffung der
geldpolitischen Zügel zurückgestellt oder es wurde längst nicht der wiederholt
in Aussicht gestellte Leitzins erreicht - der Prozess also durch eine Rolle
rückwärts beendet.

Denn es ist ja nicht die laufende Krise allein, die die Fed ins Kalkül nehmen
muss bzw. früher musste. Schließlich gab es ja auch immer noch eine Reihe
anderer Faktoren zu berücksichtigen, die die Fed dann sehr verhalten agieren
ließen, um nicht zu sagen zaghaft. Ohne Frage: Klingt die Krise tatsächlich ab
und bleiben die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen aus, könnte es zu früheren
Leitzinsanpassungen nach oben kommen. Und aus Inflationssicht ergeben sich ja
durchaus stichhaltige Argumente für höhere Leitzinsen. Die Teuerungsrate ist in
den USA im November auf 6,8% gestiegen und erreichte damit den höchsten Stand
seit Juni 1982. Die Gründe: Durch die Pandemie sind Materialknappheit,
Lieferschwierigkeiten und nach oben schießende Preise für Energieträger als
Folge zu beobachten. Das treibt die Inflation. Woanders sieht es ja nicht besser
aus: Die Preise der Produzenten in der Eurozone steigen immer weiter - nicht
zuletzt wegen der hohen Energiepreise. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte
erreichten im November eine Rekordsteigerung um den Wert von 23,7%.

Diese Gemengelage hat den Marktakteuren in der ersten Handelswoche, die so
vielversprechend begann, dann erst mal wieder die Stimmung vermiest. Der Dax war
zur Wochenmitte bis auf 16.285 Punkte geklettert und war damit nur noch 5 Punkte
entfernt von seinem am 18. November 2021 markierten Rekordhoch. Dann kamen die
Fed-Minutes, tags darauf gingen die Kurse nicht nur deutscher Aktien, sondern
weltweit in die Knie. An den Anleihemärkten tendierten die Renditen nach oben,
bei der zehnjährigen Bundrendite kam die Null-Prozent-Marke in Sichtweite. Der
Dollar tendierte stärker, was sich aber schnell wieder einebnete. Auch bei den
Bundrenditen wurde die Luft in Sachen Anstieg später wieder dünner.

Den Reaktionen an den Märkten sollte in den ersten Handelstagen indes kein allzu
großes Gewicht beigemessen werden. Denn viele Marktteilnehmer befinden sich in
der ersten Woche des Jahres noch im verlängerten Weihnachts- bzw.
Silvesterurlaub, pandemiebedingt wohl in vielen Fällen zu Hause. Sie kehren erst
in der neuen Woche zurück, d.h. in der gerade abgelaufenen Woche trafen diese
Nachrichten zu Fed und Inflation auf eher ausgedünnte Märkte. Da lassen sich
Kurse schon mal schneller in eine bestimmte Richtung bewegen. Die nächsten Tage
werden zeigen, wie gehaltvoll die Bewegungen wirklich sind und ob es nicht ein
Überschießen war. Zudem: Fed-Chef Jerome Powell wird in der neuen Woche vom
Bankenausschuss des US-Senats angehört - zu seiner Nominierung für eine zweite
Amtszeit an der Fed-Spitze. Er dürfte wohl auch zur Konjunktur Stellung
beziehen. Da könnte manches schon wieder ganz anders aussehen und zudem auf
umsatzstärkere Märkte treffen.

(Börsen-Zeitung, 08.01.2022)

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