Die Zentralbanken scheinen angesichts der aktuellen Konjunkturlage genauso ratlos zu sein wie die Anleger. Während sich die US-Notenbank Fed und die Bank of England mit leeren Drohungen begnügen, hat die SNB leider auf einen Zinsschritt verzichtet, die EZB ihn dagegen ungeachtet ihrer Versprechungen gewagt. Und die japanische Zentralbank hat die Hände wie immer in den Schoß gelegt. Das schürt die Volatilität. Denn die Ankündigung der Fed, bis zum Jahresende eventuell nochmals an der Zinsschraube zu drehen, wurde von den Finanzmärkten schlecht aufgenommen, zumal sie sich in den USA und in Europa wohl länger als erwartet mit höheren Zinsen abfinden müssen. Auch der erneute Preisdruck nach dem Höhenflug des Ölpreises trug zur Nervosität über die Inflation bei.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
453.26  -1.88%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4320.06  -2.93%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
32402.41  -3.37%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1924.68$  +0.08%
Chart GOLD
BRENT OIL
92.19$  -1.90%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.06$  -0.23%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

TOPS

Colas (+53%): Zu einer Zeit, die unter 20-Jährige nicht kennen, zählte die Bouygues-Tochtergesellschaft an der Pariser Börse zu den heißesten Übernahmekandidaten. Der Mutterkonzern brauchte allerdings bis 2023, um den Minderheitsaktionären der Tochter einen Ausweg zu weisen. Bouygues hält aktuell bereits 96% des Kapitals und will auch den verbleibenden Teil zu 175 EUR je Aktie übernehmen.

Adevinta (+32%): Der norwegische Online-Anzeigenspezialist bestätigte diese Woche, dass er ein Übernahmeangebot von einem Konsortium unter Führung der Investmentfonds Blackstone und Permira erhalten hat. Die Gespräche befinden sich zwar noch in einer frühen Phase, doch die Meldung hat durchaus schon eine gewisse Wirkung gezeigt. Indirekt profitierte davon auch die Adevinta-Mutter Schibsted, deren Aktie ebenfalls 17% hinzugewann.

Splunk (+20%): Cisco wird den Spezialisten für Cybersicherheit zu einem Preis von 157 USD je Aktie übernehmen, um seine Angebotspalette auszuweiten. Insgesamt beläuft sich der Kaufpreis auf 28 Mrd. USD. Das Angebot ist verbindlich, da der Preis bereits von den Beteiligten verhandelt wurde. Man kann also durchaus von einer "freundlichen" Übernahme sprechen. Die Meldung hat in dieser Woche dem Technologiesektor, der sich nach der klaren Haltung der US-Notenbank Fed in Bezug auf weitere Zinsschritte verunsichert zeigte, etwas Auftrieb verliehen.

Unicredit (+8%): Die italienische Großbank profitierte von der Ankündigung eines Aktienrückkaufprogramms im Volumen von 2,5 Mrd. EUR, d. h. etwa 6% ihrer Marktkapitalisierung. Die Analysten hatten mit diesem Schritt erst später gerechnet, doch war die Aktie nach der Neuigkeit am Markt sehr gefragt.

FLOPS

S4 Capital (-26%): Die Aktie der Mode-Werbeagentur, die von dem berühmt-berüchtigten "Werbezar" Martin Sorrell geführt wird, stürzte diese Woche ab, nachdem die Ziele nach unten korrigiert wurden. So ist das nun mal bei den Marktlieblingen, die stets die Erwartungen übertreffen: Sobald das nicht mehr der Fall ist, kann die Landung umso härter sein. Noch stärker fällt ins Gewicht, dass es sich hierbei schon um die zweite Gewinnwarnung innerhalb von zwei Monaten handelt. Das Unternehmen wurde entsprechend drastisch abgestraft.

Idorsia (-24%): Für das Schweizer Biotech-Unternehmen geht die Talfahrt weiter. Der Markt rechnet mit einer deutlichen Kapitalerhöhung. Nach unserem Kenntnisstand bleiben die Analysten von Baader Helvea, die diese Woche den Investor-Relations-Chef des Unternehmens auf der Investmentwoche willkommen hießen, bei dem Titel vorsichtig und verweisen darauf, dass bis 2024 ein Finanzierungsbedarf von 700 Mio. CHF besteht.

ARM Holdings (-14%): Nach dem fulminanten Börsengang hat das Unternehmen des SoftBank-Portfolios deutlich an Boden verloren, denn der Kurs ist auf etwa 53 USD gefallen. Die Aktie, deren Erstnotiz bei 51 USD gelegen hatte, war in den ersten Handelsstunden auf bis zu 69 USD gestiegen. Zwischen der Angst, etwas zu verpassen, und der aktuell herrschenden Besorgnis über die Entwicklung der Aktienmärkte versuchen die Anleger einen Mittelweg zu finden.

Lonza (-14%): Schwierige Woche für den schweizerischen Partner der Pharmabranche: Innerhalb kurzer Zeit musste man den Abgang des CEO und die Ankündigung von Moderna verkraften, die mRNA-Produktion am Standort Visp zu reduzieren. Um die Lage zu beruhigen, bekräftigte Lonza im Vorfeld des auf den 17. Oktober terminierten Investorentages seine Ziele für 2023.

Société Générale (-12%): Das Top-Management der französischen Bank hatte sicher nicht damit gerechnet, mit der Vorstellung der mittelfristigen Strategieplanung ein solches Fiasko zu verursachen. Aber genauso kam es: Die Analysten zeigten sich davon überrascht, dass die Annahmen von einem Geschäft mit Null- oder nur sehr niedrigem Wachstum ausgingen. Vielleicht waren sie aber auch nur etwas zu optimistisch angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen, die sich in Europa in einem Hochzinsumfeld abzeichnen?

Adyen (-10%): Das niederländische Fintech-Unternehmen erlebte in den letzten Wochen das typische Schicksal eines zyklischen Börsenlieblings: Der Kurs fiel deutlich unter den Marktdurchschnitt. Die großzügige Bewertung war in einem Umfeld mit starkem Wachstum durchaus gerechtfertigt. Unter den aktuell herrschenden komplexeren Bedingungen muss man allerdings schon nach Argumenten suchen.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Ölpreise legten in dieser Handelswoche eine Pause ein und stabilisierten sich nach ihrem dreiwöchigen kräftigen Aufwärtstrend. Die US-Notenbank Fed schlug einen restriktiveren Ton an und warnte, dass die Leitzinsen länger auf hohem Niveau bleiben könnten als die Finanzmarktteilnehmer erwarten. Das belastete Risikoanlagen wie Öl. Die Preiskorrektur verläuft allerdings bisher milde. So kostet die Nordseesorte Brent immer noch rund 93 USD je Barrel. Die US-Sorte WTI gewann in den letzten fünf Tagen aufgrund der niedrigen US-Lagerbestände sogar an Boden und wird aktuell für ca. 90,50 USD je Barrel gehandelt. Der Referenzpreis für Erdgas stieg in Europa abermals auf 40 EUR/MWh, obwohl die Streiks bei den LNG-Anlagen von Chevron in Australien beendet sind.

Metalle: Kupfer konnte sich nicht so gut behaupten wie Rohöl und bewegte sich weiter abwärts. Auch die jüngsten Daten der London Metal Exchange waren nicht gerade hilfreich, denn dort verzeichnete man einen weiteren Anstieg der Kupfervorräte. Damit besteht kein Grund mehr, Versorgungsengpässe zu befürchten. Der Kupferpreis gab seit Jahresbeginn um fast 7% auf 8.100 USD pro Tonne nach. Zu den Edelmetallen: Hier verharrte der Goldpreis diese Woche bei 1.925 USD je Feinunze - angesichts der weiter steigenden Anleiherenditen eine durchaus beachtliche Performance.

Agrarprodukte: Die Getreidepreise zeigten diese Woche genauso wie das Energie- und Metallsegment eine Abwärtstendenz. An der Börse in Chicago kostete Mais ca. 475 Cent und Weizen 590 Cent je Scheffel.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung:  Die Zeit der Falken. Die Bank von Japan hat soeben den Reigen der Zentralbanken beendet und sich wie erwartet nicht von der Stelle bewegt. Die Zinsen wurden ebenso wenig angetastet wie der ultralockere Kurs. Das kann man leider von den beiden Pendants in Großbritannien und den USA nicht behaupten. Sowohl die Bank of England als auch die Federal Reserve verzichteten zwar auf einen Zinsschritt, blieben aber bei ihrem restriktiven Ton. Mit anderen Worten: Sie hören mehr auf die Verfechter "dauerhaft hoher Zinsen", und das bis weit in das kommende Jahr oder gar das gesamte nächste Jahr. Gleichzeitig schließen sie weitere Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation nicht aus. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen kletterten daraufhin über die Höchststände vom letzten Oktober bei 4,33%, sodass der Weg für einen weiteren Anstieg in Richtung 5% geebnet ist. Dies ist eine erneute Belastungsprobe für US-Aktien, mit einem erhöhten Risiko für Technologietitel.

Dem US-Dollar geht es in diesem Umfeld gut. Er hält die anderen Währungen weiter unter Druck, obgleich sich der Euro am Freitag auf 1,0649 USD erholte. Das unerwartete Festhalten der Schweizer Nationalbank am Zinsniveau letzten Donnerstag verlieh der Gemeinschaftswährung einen leichten Schub bis auf 0,9644 CHF.

Die Einkaufsmanagerindizes der führenden europäischen Volkswirtschaften belegen weiterhin ein Schrumpfen der Wirtschaft, obwohl sich im Dienstleistungssektor in Deutschland und in der Industrie in Großbritannien zaghaft etwas bewegt.

Kryptowährungen: Der Bitcoin tendierte auch diese Woche seitwärts und lag bei Redaktionsschluss im Bereich von 26.600 USD. Dem Ether erging es etwas schlechter als dem Marktführer: Er verlor seit Montag 1,63% an Wert, um sich dann knapp unter 1.600 USD einzupendeln. Während die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC jenseits des Atlantiks die Daumenschrauben in Bezug auf die Rechtskonformität von Krypto-Assets weiter anzieht, sucht die Branche verzweifelt nach positiven Impulsen, um sich wenigstens ein Mindestmaß an Optimismus bewahren zu können. Ohne klaren Regulierungsrahmen und angesichts der für Risikoanlagen ungünstigen konjunkturellen Lage schafft es der Markt für Kryptowährungen bisher nicht, die Gunst der Anleger zurückzugewinnen.

Kurs und Volumen
Zentralbanken verunsichern die Märkte
Die Entscheidungen der führenden Zentralbanken sind verkündet, und die Unternehmen rüsten sich für die Berichtssaison für das 3. Quartal, die in drei Wochen beginnt. Aktuell ist es somit etwas ruhiger, aber bei Weitem nicht langweilig: In Europa wird am Montag mit Spannung der deutsche Ifo-Index erwartet und am Donnerstag die vorläufige Inflationsschätzung für Deutschland. In den USA stehen am Dienstag der US-Verbrauchervertrauensindex des Conference Board und am Mittwoch die Auftragseingänge für langlebige Konsumgüter sowie eine Rede von Jerome Powell auf dem Programm. Die Zentralbanken sind also nicht ganz abgetaucht. Am Freitag rücken die vorläufige Inflation in Europa im September und die US-Verbraucherpreisinflation neben zahlreichen Veröffentlichungen ins Rampenlicht. Und weil Ausnahmen die Regel bestätigen, gibt es doch einige Unternehmen (mit eher unüblichem Geschäftsjahresende), die ihre Zahlenwerke veröffentlichen: Costco und Cintas am Dienstag, Micron und Hennes & Mauritz am Mittwoch sowie Accenture und Nike am Donnerstag. Wir wünschen Ihnen allen einen schönen Sonntag.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.