Die Europäische Zentralbank hat ihren Leitzins energisch um 75 Basispunkte angehoben und damit den größten Zinsschritt seit 2011 gewagt. Dieser wurde von den Anlegern letztendlich gut aufgenommen. Die wichtigsten Börsenbarometer konnten sich somit in der vergangenen Woche trotz volatiler Phasen wieder etwas erholen. Bis zur Entscheidung der US-Notenbank Fed Ende des Monats dürften die Inflationszahlen weiterhin aufmerksam verfolgt werden. Die Volatilität wird mit großer Wahrscheinlichkeit andauern, zumal die Energiekrise in Europa das ihre dazu beiträgt.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
420.37  +1.06%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4067.36  +3.65%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
28214.75  +2.04%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1716.05$  +0.48%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
92.11  -2.51%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.00$  +1.40%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

GB Group (+40 %): Die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft GTCR erwägt ein Übernahmeangebot für den Softwareanbieter. Die von Bloomberg gestern bekannt gegebene Information wurde inzwischen bestätigt. Dem Finanzinvestor bleibt bis zum 4. Oktober Zeit, um sich für oder gegen die Übernahme zu entscheiden.

Regeneron (+28 %): Das Biotech-Unternehmen gab am Donnerstag bekannt, dass zwei zulassungsvorbereitende klinische Studien zum Präparat Aflibercept ihre primären Endpunkte bei diabetischem Makulaödem und altersbedingter Makula-Degeneration erreicht haben. Regeneron verfügt für den Wirkstoffkandidaten über die Rechte für den US-Markt, Bayer für alle anderen Länder.

Delivery Hero (+18%): Die Aktie kehrt in den DAX zurück, nachdem sie vor drei Monaten von Beiersdorf verdrängt worden war. Diesmal ist HelloFresh der Leidtragende. Zudem stufte Morgan Stanley die Aktie von "Neutral" auf "Übergewichten" hoch und legte ein Kursziel von 73 EUR fest.

SolarEdge (+17 %): Der Anstieg der Energiekosten in den USA kommt den Unternehmen zugute, die in der Branche für erneuerbare Energien tätig sind und sich nach der großen Sommerflaute wieder erholen.

Rivian Automotive (+15 %): Mercedes-Benz Vans und das US-amerikanische Unternehmen haben ein Joint Venture gegründet, um in den nächsten Jahren in einem Werk in Mittel- oder Osteuropa Elektrotransporter zu produzieren.

Caixabank (+10 %): Die Leitzinsanhebung kommt den europäischen Kreditinstituten zugute, denn diese können so ihre Erträge und Margen steigern. Voraussetzung ist allerdings, dass die Konjunkturdynamik anhält.

Flops

Associated British Foods (-10 %): Das britische Unternehmen warnte vor einem wahrscheinlichen Gewinnrückgang im nächsten Jahr, was vor allem für die Marke Primark gilt. Jefferies zufolge belegt die Mitteilung eine Abschwächung der Nachfrage.

Var Energi (-10 %): Der Ölpreisrückgang belastete die im Bereich der fossilen Energien tätigen Unternehmen. Als norwegische ENI-Tochter ist auch Var Energi davon betroffen.

Bilibili (-17 %): Der chinesische Streaming-Anbieter weitete seine Verluste im 2. Quartal aus. Gleichzeitig verfehlten die Prognosen für das laufende Quartal die Markterwartungen. Die Strafe folgte auf dem Fuße.

Ubisoft (-19%):  Nach der Ankündigung, dass Tencent seine Kapitalbeteiligung aufstocken wird, ging der spekulative Kursaufschlag zurück. Die Aufstockung soll allerdings indirekt über die Holding der Familie Guillemot erfolgen. Demnach gibt sich der chinesische Konzern damit zufrieden, in den kommenden Jahren keine Beherrschung des Unternehmens anzustreben, was die Hoffnungen auf eine schnelle Übernahme dämpft.

Darktrace (-25 %): Die Private-Equity-Gesellschaft Thoma Bravo hat von einem Übernahmeangebot für das britische Cybersicherheitsunternehmen letztlich Abstand genommen.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Ölpreise gaben diese Woche nach und drückten den Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent vorübergehend unter die Marke von 90 USD. Dieses Preisniveau könnte die OPEC-Mitgliedsstaaten zu weiteren Stützungsmaßnahmen veranlassen, zumal sich die erweiterte Organisation erdölexportierender Länder gerade darauf geeinigt hat, ihre Fördermengen um 100.000 Barrel pro Tag zu senken. Eine eher symbolische Maßnahme, die unterstreichen soll, dass das Kartell jederzeit in der Lage ist, den Markt durch Interventionen zu stützen. Bemerkenswert war in der vergangenen Woche auch der überraschende Anstieg der US-Ölvorräte. Diese nahmen um 8,8 Mio. Barrel zu, während die Analysten eher einen Rückgang von 2 Mio. Barrel erwartet hatten. Der Anstieg ist auf schrumpfende US-Exporte, aber auch auf zurückgehende Raffinerie-Aktivitäten zurückzuführen. Die Sorte Brent notiert aktuell bei knapp 92 USD, die amerikanische Referenzsorte WTI bei ca. 86 USD je Barrel. Auf dem europäischen Gasmarkt zeigt sich nach wie vor eine hohe Preisvolatilität. Am Wochenende treffen sich die EU-Minister, um sich auf eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Gaspreisexplosion zu verständigen.

Metalle: Insgesamt stabilisierten sich die Preise für Industriemetalle an der LME - mit Ausnahme von Kupfer, das an vier aufeinanderfolgenden Handelstagen auf beachtliche 7.810 USD pro metrischer Tonne zulegte. Die Beschäftigten der weltweit größten, von der BHP Group betriebenen Mine Escondida in Chile werden in den Streik treten, um bessere Arbeitsschutzstandards zu fordern. Das erinnerte die Marktteilnehmer an eine ähnliche Episode im Jahr 2017, die das weltweite Angebot deutlich verknappt hatte. Der Goldpreis tendierte leicht aufwärts und schloss bei 1.720 USD.

Agrarprodukte: Das Abkommen über den Export von ukrainischem Getreide erlebte diese Woche eine neue Wendung. Wladimir Putin stellte es infrage, indem er behauptete, das Abkommen nütze Europa mehr als den armen Ländern, die unter Hungersnot litten. Den von Bloomberg zusammengestellten Daten zufolge kam die Hälfte der Lieferungen Asien, dem Nahen Osten und Afrika zugute. Weizen notiert in Chicago aktuell bei 840 Cent und Mais bei 673 Cent je Scheffel.
 
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Europa wagt den Paukenschlag. Die EZB hat diese Woche kräftig an der Zinsschraube gedreht und den Leitzins nach 50 Basispunkten im Juli nun um 75 Basispunkte erhöht. Der Straffungszyklus wurde im denkbar ungünstigsten Moment eingeleitet, da die Energiekrise für Turbulenzen sorgt, wie wir sie im Euroraum und in der gesamten EU seit zehn Jahren nicht mehr erlebt haben. Die Konjunkturbarometer in den westlichen Volkswirtschaften fallen, allerdings noch nicht ins Bodenlose. In Asien kommt die chinesische Wirtschaft bislang nicht wieder richtig auf die Beine. Jedenfalls kommt sie noch nicht ihrer Rolle als Konjunkturmotor nach, die ihr einige Marktteilnehmer gerne zuschreiben würden.

Anleihen: Die unverändert harschen Töne des US-Notenbankpräsidenten in dieser Woche trugen zu einem erneuten Anstieg der US-Anleiherenditen bei. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentierten bei 3,31 % und damit leicht über dem Vorwochenniveau. Die Zinsanhebung seitens der EZB bewirkte einen Anstieg der Rendite deutscher Bundesanleihen (1,71 %), französischer Staatspapiere (2,28 %) und aller anderen europäischen Anleihen in diesem Laufzeitsegment. Die Renditen der italienischen und griechischen Pendants kletterten über 4 %.

Devisen: Die Europäische Zentralbank hat sich also nun doch zu den "75ern" gesellt, also zu den Notenbanken rund um den Globus, die den Preisauftrieb mit einer Rosskur bremsen wollen, indem sie ihre Leitzinsen in größeren Schritten um jeweils 75 Basispunkte erhöhen. Im Anschluss an die Meldung drehte der Euro nach kurzem Zögern ins Plus. So stieg die Gemeinschaftswährung zum Wochenschluss wieder über die Parität zum US-Dollar. Ein Euro kostet aktuell 0,9665 CHF. Ende der Woche gab der US-Dollar auch gegenüber anderen Währungen nach. Vor allem gegenüber dem Yen, nachdem dieser seit Jahresbeginn ein Viertel seines Werts verloren hatte. Die Währungshüter in Japan ließen noch offen, ob sie möglicherweise eingreifen werden, um die Landeswährung zu stützen.

Kryptowährungen: Der Bitcoin verpatzte den Start in die Woche, scheint sie aber in besserer Verfassung zu beenden. Die wichtigste digitale Währung kratzte am Freitag an der Marke von 21.000 USD. Dem Kryptouniversum steht eine wichtige Woche bevor: Zwischen dem 13. und 15. September soll der Ethereum-Zusammenschluss über die Bühne gehen. Durch die Fusion soll die Ethereum-Blockchain von einem "Proof-of-Work"-Netzwerk zu einem "Proof-of-Stake"-System werden.

Termine: Die nächsten Kursschwankungen aufgrund von Spekulationen über die Entwicklung der Leitzinsen in den USA sind vorprogrammiert: Am Dienstag werden die US-Inflationszahlen für August veröffentlicht. Daneben warten die Anleger gespannt auf die US-Einzelhandelsumsätze (Donnerstag) und den Index für das Verbrauchervertrauen der Universität Michigan (Freitag). Dann wird sich zeigen, ob die amerikanischen Verbraucher noch immer in Kauflaune sind. Die Fed wird sich in der Folgewoche am 21. September zu ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause treffen und erneut vor dem schon klassischen Dilemma stehen, ob sie die Zinsen um 50 oder 75 Basispunkte hochschrauben soll.

Kurs und Volumen
Der heilige Gral
Nach drei aufeinanderfolgenden Wochen im Minus erholten sich die Börsenindizes je nach Handelsplatz wieder mehr oder weniger kräftig. Und das wohlgemerkt trotz der restriktiven Geldpolitik der Zentralbanken, mit der diese sich einer länger anhaltenden Hyperinflation entgegenstemmen. Ist das möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass die Anleger den gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen angemessener Rechnung tragen? Die in der nächsten Woche in den USA anstehende Veröffentlichung einiger wichtiger Wirtschaftsdaten wird Aufschluss darüber geben, wie es um die größte Volkswirtschaft der Welt steht und wie viel Spielraum die Fed hat. Alle Zentralbanken suchen derzeit nach dem heiligen Gral und wollen die Preissteigerungen stoppen, ohne die Wirtschaft vollständig abzuwürgen. Für einige kommt das einer Quadratur des Kreises gleich. Andere halten es eher mit dem Sprichwort: Steter Tropfen höhlt den Stein. Doch freuen wir uns zunächst über eine entspannte Woche. Wir wünschen Ihnen allen ein schönes Wochenende.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.