FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters hat einen gemischten Eindruck von dem Zustand der Unternehmen aus der laufenden Berichterstattung, sieht in den anhaltenden Stressfaktoren auch viel Potential.

31. Oktober 2022. FRANKFURT (pfp Advisory). Nach den sehr schwachen ersten drei Quartalen dieses Börsenjahres war die Spannung vor der nun laufenden Berichtssaison besonders groß. Die üblicherweise in der zweiten Oktober- bzw. ersten Novemberhälfte stattfindende Berichtssaison erachte ich ohnehin als recht spannend, weil hier das Jahr quasi entschieden wird. Wer mit der Vorlage der Neun-Monats-Zahlen etwa acht Wochen vor Jahresende den Ausblick erneuert oder eben anpasst, weiß zumeist recht gut um die Lage. Entsprechend nutzen viele Firmenlenker dieses Zeitfenster oft für ein letztmaliges Justieren im Kalenderjahr.

Von dieser Option wird 2022 reichlich Gebrauch gemacht, was wenig verwundert. Schließlich wirken von Konjunkturabschwung und Energiekrise über Inflation und weiter gestressten Lieferketten bis hin zum Krieg in der Ukraine reichlich gewichtige Einflussfaktoren auf die Unternehmen ein, so dass eine belastbare Prognose ausgesprochen schwer ist und entsprechend schnell revidiert werden kann. Umso spannender, was in den vergangenen Wochen in dieser "stürmischen See" an Berichten und Ausblicken veröffentlich worden ist.

Dieses Bild fällt für manche überraschend nicht einheitlich düster aus, sondern tatsächlich recht bunt gemischt, übrigens über die Grenzen des Landes und des Kontinents hinaus. Zum einen berichten viele Unternehmen von ausufernden Kosten und Schwierigkeiten, die Inflation weiterzugeben, weiter gestörten Lieferketten und auch einbrechenden Nachfragen. Zum anderen ist die Anzahl der Firmen, die hervorragend mit der neuen Normalität in der Geldentwertung klarkommen und die angezogenen Kosten an ihre Kunden komplett weitergeben und einhergehend damit ihre Umsatzprognosen anheben können, auch beileibe nicht gering. In der Summe bleibt nach den ersten Wochen der Berichtssaison ein gemischtes Bild aus positiven und negativen Überraschungen in den Berichten kombiniert mit weiter viel Unsicherheit in den Ausblicken.

Aber es gibt auch rote Fäden, die sich durchziehen. So gab es in der vergangenen Woche bei den an der Börse sehr beliebten "Big Tech"-Unternehmen aus den USA einige Ernüchterungen in den Zahlenwerken, die dann zu mitunter drastischen Abgaben und prozentual zweistelligen Kursverlusten der Aktien geführt haben.

Das ist in gleich zweifacher Hinsicht interessant. Denn einer der wesentlichen Faktoren, woran international tätige US-Konzerne "zu knabbern" haben, ist der durch die wachsende Zinsdifferenz zu Europa deutlich erstarkte US-Dollar. Und dass manche Aktienkurse an der Technologiebörse Nasdaq besonders stark einbrechen, hängt auch mit der vorherigen langjährigen Hausse zusammen. Für europäische Unternehmen sind die Rückschlüsse mitunter anders.

Und genau der schwache Euro ist ein echter Treiber für Unternehmen, die wesentlich vom Export abhängen. So manch erhöhte Umsatzprognose europäischer Emittenten ist genau hierauf zurückzuführen. Und auch die in Europa deutlich reduzierte Bewertung (gemessen an einigen Multiples oder auch indikativ ableitbar aus dem immer höheren Gewicht von US-Unternehmen in einigen vermeintlich globalen Indizes wie dem MSCI World).

Damit möchte ich natürlich nicht die existenten Probleme in der EU, vornehmlich in der Energiepolitik, kleinreden. Es gibt sehr nachvollziehbare Gründe, warum Anleger im bisherigen Jahresverlauf deutlich mehr Interesse und Freude an US-Dollar-Anlagen hatten. Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass gerade in problembehafteten Regionen, die deutlich abgestraft wurden, oftmals auch gewichtige Chancen für die Zukunft verborgen sind.

von Roger Peeters, 31. Oktober 2022, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (LU1865032954), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)