FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Nicht nur am Aktienmarkt ist der Jahresauftakt fulminant, auch am Anleihemarkt steigen die Kurse deutlich und die Renditen fallen. Sorgen sind in den Hintergrund gerückt - zumindest für den Moment. Die Neuemissionen bewegen sich auf Rekordniveau.

13. Januar 2023 Frankfurt (Börse Frankfurt). Nachlassender Inflationsdruck, niedrigere Öl- und Gaspreise, weniger Zinserhöhungs- und Rezessionssorgen - die Stimmung an den Märkten ist so gut wie lange nicht. Der DAX ist erstmals seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs wieder über die Marke von 15.000 Punkten gesprungen, am Freitagmorgen sogar über 15.100 Punkte, Anleihekurse steigen und Renditen fallen. Jüngster Auslöser: In den USA ist, wie gestern bekannt wurde, der Verbraucherpreisanstieg abermals zurückgegangen, und zwar von 7,1 Prozent im November auf 6,5 Prozent im Dezember.

"Insgesamt ist das Sentiment sehr positiv", schildert Rentenhändler Tim Oechsner von der Steubing AG die Lage. "An Rückschläge denkt im Moment keiner." Vielleicht sei die Stimmung allerdings auch schon zu gut. Immerhin blieben Zweifel, ob die US-Notenbank tatsächlich das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosseln werde. "Das Glas ist jetzt halb voll und nicht halb leer", formuliert es Rentenhändler Arthur Brunner von der ICF Bank. Auch er ist skeptisch: "Eine Kehrtwende der Notenbanken ist nicht zu erwarten, die Inflation ist noch zu hoch."

Nachfrage kein Problem

Zehnjährige Bundesanleihen rentieren am Freitagmorgen mit nur noch 2,10 nach 2,31 Prozent vor einer Woche. Am letzten Handelstag im alten Jahr waren es sogar noch 2,56 Prozent - der höchste Stand seit 2011. "Die Marktteilnehmer hatten großen Respekt vor den Rekordemissionen, die vor allem am Jahresanfang am Markt untergebracht werden müssen", erklärt Anleihenanalyst Christoph Rieger von der Commerzbank. Zwar sei die Emissionswelle zum Jahresauftakt dann tatsächlich so groß - oder sogar noch größer - ausgefallen wie erwartet. "Allerdings gibt es bei diesen Bewertungen auch genug Geld, das an den Anleihemärkten investiert werden will. Das zeigen die Orderbücher."

Erfreulich ist laut Ralf Umlauf von der Helaba auch die Entwicklung der EWU-Spreads, der Renditeaufschläge für die bonitätsmäßig schwächeren Euro-Länder also. "Die Spreads südeuropäischer Bonds gegenüber Bundesanleihen sind rückläufig. So rentieren zehnjährige italienische Staatsanleihen gegenüber vergleichbaren Bunds ‚nur‘ etwa 185 Basispunkte höher." Ende Dezember habe der Aufschlag noch bei etwa 215 Basispunkten gelegen.

Die im März beginnende Reduzierung der EZB-Anleihebestände aus dem APP (Asset Purchase Programme) verbreite offenbar keinen Schrecken. "Vielmehr dürfte die Entwicklung Spekulationen über eine weitere gemeinsame EU-Schuldenaufnahme geschuldet sein." Eine solche würde die durch den Zinsanstieg entstehenden Probleme von Ländern wie Italien dämpfen.

"Alles ab 3 Prozent Rendite kommt gut an"

Gute Umsätze melden die Händler für Unternehmensanleihen. "Die erste Handelswoche war noch ruhig, diese Woche ist aber viel los", berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. "Es sind viele alte Bekannte, die gefragt sind, etwa die Deutsche Telekom oder VW." Unter Abgabedruck bleibe hingegen die schon im Oktober dieses Jahres fällige 3,5 Prozent-Anleihe der Immobiliengesellschaft DIC Asset (DE000A2NBZG9).

"Die Bücher vieler Banken sind für 2023 wieder geöffnet, die Liquidität ist entsprechend zurück", meldet auch Oechsner. Privatanleger*innen kauften weiterhin vor allem Anleihen bekannter Unternehmen mit Laufzeiten von zwei bis drei Jahren. "Die Zinskupons sind wieder interessant." Allerdings müssten die Bonität gut und die Geschäftsmodelle intakt sein. Beispiele seien Papiere der Deutschen Bahn (XS1752475720), SAP (DE000A13SL34), Lanxess (XS2383886947), Deutsche Telekom (XS1382791975), VW (XS2374595044), Fraport (XS2198879145) und RWE (XS2523390271, XS2482887879). Sie bieten bei Fälligkeiten zwischen 2025 und 2030 Kupons bis zu 2,75 Prozent, bei den aktuellen Kursen ergeben sich Renditen um 3 Prozent.

"Alles ab 3 Prozent kommt gut an", stellt auch Rainer Petz von Oddo BHF fest. Er nennt als Beispiele Volkswagen-Anleihen (XS1865186677, XS2343821794). "Da liegen die Renditen aktuell bei 3,3 und 3,25 Prozent."

Brunner berichtet von einem deutlichen Kursanstieg einer Paragon-Anleihe (DE000A2GSB86). "Es gab ein Rückkaufangebot für eine andere, auf Schweizer Franken lautende Anleihe des Unternehmens." Zugegriffen werde außerdem bei Bonds der Münchner Beteiligungsgesellschaft Mutares (NO0010872864). Umsätze in beide Richtungen beobachtet Brunner für die erst im Dezember emittierte Anleihe des finnischen Fintechs Multitude (NO0012702549), vormals Ferratum.

Flut von neuen Papieren

"Das Emissionsvolumen erreichte 99 Milliarden Euro, ein Rekordniveau", erklärt Oechsner außerdem. Gut angenommen wird laut Daniel eine neue Anleihe von Eon mit 3,5 Prozent bis 2028 (XS2574873266). Die Deutsche Bahn kam laut Brunner mit einer 2037 fälligen Anleihe mit 3,625 Prozent Kupon (XS2577042893), die nächste Woche in den Handel aufgenommen werden soll. Der Händler geht davon aus, dass es noch viele weitere Neuemissionen geben wird. "Das dürfte noch eine Weile so weitergehen."

von: Anna-Maria Borse, 13. Januar 2023, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)