FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Hohe Inflation, drohende Rezession und steigende Zinsen beschäftigen zwar weiter. Es mehren sich aber die Stimmen, dass jetzt vieles schon eingepreist ist.

23. Mai 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Zu Beginn der neuen Woche ist der DAX klar auf Erholungskurs: Der Index liegt am Montagmorgen bei knapp 14.200 Punkten nach 13.982 Punkten am Freitag zu Handelsschluss.

Beflügelt wird der DAX durch den versöhnlichen Wochenausklang an der Wall Street. Dow Jones und S&P 500 hatten am Freitag zuerst kräftig verloren, schlossen dann aber mehr oder weniger unverändert zum Vortag. An den Risiken hat sich zwar nichts verändert, die Überzeugung wächst aber, dass sich diese jetzt ausreichend in den Kursen widerspiegeln.

Tech-Blase "entbläht"?

"Aufgrund der Vielzahl an Krisen haben die Aktienmärkte längst von ‚fomo‘ (fear of missing out) auf ‚foji‘ geschaltet (fear of joining in)", bemerkt Robert Halver von der Baader Bank. Laut einer Umfrage unter Fondsmanagern werde gegen die früheren Anlegerlieblinge aus dem Tech-Sektor sogar so stark spekuliert wie zuletzt im Sommer 2006. Dabei hätten Tech-Aktien weltweit bereits weitgehend ihre Rekordbewertung abgebaut und lägen mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von aktuell 20 nur noch knapp über ihrem Zwanzigjahresdurchschnitt bei rund 19. "Die Tech-Blase ist kräftig entbläht." Halver weist darauf hin, dass trotz aktuellem Bärenmarkt viele Unternehmen weiterhin über stabile Cashflows verfügten. "In ihren Bereichen sind sie de facto Monopolisten, was ihnen entsprechende Preissetzungsmacht verleiht."

"DAX unter fairem Wert gehandelt"

Auch nach Einschätzung der Helaba ist in den Kursen bereits viel Negatives enthanden. "Mittlerweile ist der Pessimismus gerade bei US-Anlegern schon so stark ausgeprägt, dass er im Sinne der Kontraindikation allmählich Unterstützung für Aktien liefern sollte", stellt Markus Reinwand fest. Allerdings habe sich die Angst der Anleger noch nicht in Panik gesteigert, was an der für einen Ausverkauf noch niedrigen impliziten Volatilität zu erkennen sei.

Gleichzeitig habe sich Bewertungssituation verbessert. "Der DAX wird inzwischen leicht unter seinem fairen Wert gehandelt, der S&P 500 hat seine zeitweilig massive Überbewertung abgebaut und ist aktuell am oberen Rand des langfristigen Normalbandes angelangt." Weitere Kursverluste seien zwar nicht ausgeschlossen, der Abgabedruck dürfe aber allmählich nachlassen. Gerade für langfristig orientierte Investoren eröffneten Schwächephasen die Gelegenheit, Positionen aufzubauen. "Aufgrund der deutlich günstigeren Bewertungssituation sollte der Anlageschwerpunkt auf Aktien aus dem DAX und dem Euro Stoxx 50 gelegt werden."

Schaukelbörse mit Tendenz nach unten

Etwas zurückhaltender zeigt sich Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: "Das Umfeld für Aktien bleibt schwierig, auch wenn dem Euroraum eine klassische nachfrageinduzierte Rezession erspart bleibt", erklärt er. Es werde wohl bis auf weiteres bei der Schaukelbörse bleiben - mit einer Tendenz zu Kursrückgängen. Krämer geht davon aus, dass die Analysten ihre noch recht optimistischen Schätzungen für die Unternehmensgewinne nach unten revidieren werden: "Rechnen sie zurzeit für die DAX-Unternehmen für dieses Jahr noch mit einem Gewinnanstieg von 5 Prozent, ist ein Rückgang von 5 Prozent aus unserer Sicht realistischer." Außerdem werde die US-Notenbank ihren Leitzins wohl weiter deutlich anheben. "Erfahrungsgemäß belastet das auch europäische Aktien."

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Montag, 23. Mai

10.00 Uhr. Deutschland: ifo-Geschäftsklima Mai.

Dienstag, 24. Mai

10.00 Uhr. Eurozone: Einkaufsmanagerindex Mai. Laut DekaBank belasten hohe Inflation, Lieferkettenprobleme, Materialengpässe, Corona in China und der Krieg in der Ukraine die Stimmung der Unternehmen. Ein Absturz beim Einkaufsmanagerindex sei aber nicht zu erwarten. Die Rahmenbedingungen seien allerdings für die Industrie schwieriger als für die Dienstleister.

Mittwoch, 25. Mai

14.30 Uhr. USA: Auftragseingänge langlebiger Güter April. Der zivile Flugzeugbau bremst, meint die DekaBank. Sie rechnet mit einer Stagnation gegenüber dem Vormonat.

20.00 Uhr. USA: Protokoll der letzten Fed-Sitzung.

Freitag, 27. Mai

14.30 Uhr. USA: Preisindex für Konsumausgaben ohne Nahrungsmittel und Energie April. Die Commerzbank erwartet für das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß relativ niedrige Werte für den April.

von: Anna-Maria Borse

23. Mai 2022, © Deutsche Börse AG

Über die Autorin

Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.

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