RAMALLAH (AFP)--Am zweiten Tag ihrer Nahost-Reise ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu einem Besuch im Westjordanland eingetroffen. Über den israelischen Kontrollpunkt Beitunja reiste die Ministerin am Montagmorgen in das von Israel besetzte Palästinensergebiet ein. Erster Programmpunkt sollte ein Besuch in dem palästinensischen Dorf al-Masraa al-Kiblija sein. Dort will die Ministerin mit Bewohnern sprechen, die durch die Gewalt extremistischer israelischer Siedler vertrieben wurden. Am Mittag ist dann ein Treffen in Ramallah mit Außenminister Riad al-Maliki geplant.

Bereits am Sonntag hatte Baerbock Israel in ihren Gesprächen mit Vertretern der israelischen Regierung zum Vorgehen gegen die zunehmende Gewalt extremistischer Siedler gegen palästinensische Bewohner des Westjordanlands aufgefordert. Sie habe ihre "tiefe Sorge über Gewalt und Vertreibung von Menschen im Westjordanland durch radikale Siedler unterstrichen", sagte Baerbock am Abend in Jerusalem. Diese Gewalt habe seit dem blutigen Angriff der radikalislamischen Palästinensergruppierung Hamas auf Israel am 7. Oktober "drastisch zugenommen".

Weiter sagte Baerbock: "Diese Gewalt muss enden. Hier steht Israel in der Pflicht, Palästinenserinnen und Palästinenser zu schützen." Gegenüber ihren israelischen Gesprächspartnern habe sie zudem ihre "tiefe Sorge über den illegalen Siedlungsbau noch einmal verdeutlicht". Dieser stelle "ein erhebliches Hindernis für einen dauerhaften Frieden in der Region dar".

Die palästinensischen Behörden und israelische Menschenrechtler hatten zuletzt wegen des Anstiegs gewaltsamer Übergriffe von Siedlern im Westjordanland Alarm geschlagen. Die israelische Menschenrechtsgruppierung Jesch Din dokumentierte allein in den ersten zwei Monaten nach dem Hamas-Überfall auf Israel 242 gewaltsame Attacken jüdischer Siedler. Siedler hätten mindestens zehn Palästinenser getötet, dutzende Häuser und Autos angezündet, Straßensperren errichtet und Olivenhaine vernichtet.

Jesch Din spricht vom "bislang gewaltsamsten Jahr", was Siedler-Übergriffe angeht. Hunderte Siedler seien daran beteiligt gewesen. Die Menschenrechtler warnen davor, dass sich im Schatten des Gazakriegs ein Klima der Straflosigkeit verbreitet, in dem extremistische Siedler praktisch alles tun dürfen.

Im Westjordanland und Ostjerusalem leben aktuell rund 665.000 Siedler. Die Siedlungen in den besetzten Gebieten sind völkerrechtswidrig, Israels rechtsreligiöse Regierung will sie aber weiter ausbauen. Dem Kabinett von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gehören mehrere Minister aus der extremen Siedlerbewegung an.

Für Außenministerin Baerbock stehen dann am Montagnachmittag weitere Stationen in Israel auf dem Programm, vorgesehen ist auch eine Unterredung mit Verteidigungsminister Joav Gallant. Die Ministerin will zudem eine freigelassene Geisel der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas treffen sowie israelische Binnenvertriebene, die vor dem Raketenbeschuss der libanesischen Hisbollah-Miliz aus der Grenzregion geflohen sind.

Auch ein Besuch auf dem Kika ha-Hatufim, dem "Platz der Geiseln", in Tel Aviv ist für den späten Nachmittag geplant. Dort wird an das Schicksal der Geiseln in der Hand der Hamas erinnert. Am Abend will Baerbock dann nach Ägypten weiterreisen.

DJG/hab

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January 08, 2024 03:35 ET (08:35 GMT)