BERLIN (dpa-AFX) - Die harten Konflikte in der Klimapolitik sind beigelegt, nun wollen die Grünen beim Parteitag ihre Kanzlerkandidatin offiziell aufstellen. Der Vorstand hatte Parteichefin Annalena Baerbock bereits im April nominiert. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner warb am Freitag für sie mit den Worten: "Sie führt mit klarem Kompass und meistert die Herausforderungen dieser Zeit mit Herz und Verstand." Eine grüne Kanzlerin sei vorstellbar.

In der gleichen Abstimmung, in der die Delegierten beim Online-Parteitag am Samstagnachmittag Baerbock bestätigen sollen, stimmen sie auch über das Spitzenduo aus Baerbock und ihrem Co-Parteichef Robert Habeck ab. "Seit drei Wochen stehen wir im Gegenwind", sagte Habeck. Er versprach: "Wir werden die Fehler abstellen." Das gemeinsame Motto sei: "Mit Gelassenheit und Stärke - durch dick und dünn."

Seit Mitte Mai belasten eigene Fehler die Grünen: Zuerst wurde bekannt, dass Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Sonderzahlungen an den Bundestag nachmeldete. Dann gab es Kritik, weil sie und ihre Partei mehrmals irreführende Angaben im Lebenslauf von Baerbock gerade rücken mussten.

Die Abstimmung über Kanzlerkandidatin und Spitzenduo ist deshalb insbesondere für Baerbock ein wichtiger Stimmungstest. Auf 100 Prozent hofft Baerbock nach eigenen Angaben nicht. Das sei langweilig und passe nicht zu ihrer Partei. Sie war 2019 mit dem Rekordergebnis von 97,1 Prozent zur Vorsitzenden der Grünen gewählt worden, Habeck erhielt "nur" 90,4 Prozent. Baerbock soll nach ihrer Wahl am Nachmittag sprechen. Wie schon bei Habecks Rede am Vortag sollen dafür hundert Neumitglieder im Saal sein.

Inhaltlich geht es am Samstag um die Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik. Während der Vorstand vorschlägt, den Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent auf 48 Prozent für Top-Verdiener anzuheben, macht sich die Grüne Jugend für 53 Prozent stark. Auch der Mindestlohn ist Thema. Der Online-Parteitag der Grünen mit etwa 800 Delegierten endet am Sonntag.

Am Freitag räumten die Grünen bereits das zuvor heftig diskutierte Thema Klimaschutz ab. Mehrere Vorstöße für teils weitreichende Verschärfungen des Programmentwurfs wurden abgeschmettert. So votierten die Delegierten gegen ein Tempolimit von 70 Stundenkilometern auf Landstraßen und ein Aus für neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor schon 2025.

Auch ein Vorschlag zu einem höheren CO2-Preis, als vom Vorstand vorgeschlagen, fand keine Mehrheit. Die Delegierten votierten mit 473 Stimmen gegen einen Antrag, der vorsah, den CO2-Preis auf Öl und Gas bereits im kommenden Jahr auf 80 Euro zu erhöhen und danach jährlich um 15 Euro steigen zu lassen. Der CO2-Preis soll den Verbrauch von fossilen Brennstoffen verteuern - damit steigen auch die Preise für Sprit und beispielsweise Heizöl.

Die Delegierten bestätigten den Vorschlag des Bundesvorstands, den CO2-Preis ab 2023 auf 60 Euro zu erhöhen. Derzeit beträgt der CO2-Preis auf Öl und Gas, der seit 1. Januar fällig ist, 25 Euro pro Tonne. Nach dem Plan der Bundesregierung soll er im Jahr 2025 55 Euro betragen./hrz/DP/zb