Brüssel/Berlin (Reuters) - Die sogenannte ID-Fraktion von Rechtsaußen-Parteien im Europäischen Parlament (EP) hat sämtliche Mitglieder der AfD ausgeschlossen.

"Die ID-Gruppe möchte nicht länger mit den Vorfällen um Maximilian Krah, dem Vorsitzenden der AfD-Liste für die Europawahl, in Verbindung gebracht werden", teilte die ID in einer Erklärung mit. Die "Welt" berichte, dass die Parteien Lega (Italien), Rassemblement National (Frankreich), Vlaams Belang (Belgien) und Freiheit und direkte Demokratie (Tschechien) am Donnerstag für einen entsprechenden Antrag des Fraktionschefs Marco Zanni (Lega) gestimmt hätten. Die AfD-Gruppe im EP hatte zuvor vergeblich versucht, diese Entscheidung zu verhindern, indem sie sich von ihrem umstrittenen Spitzenkandidaten für die Europawahl distanziert hatte. Sie hatte vorgeschlagen, nur Krah auszuschließen.

Laut Informationen der "Welt" schlossen sich dieser Meinung aber nur die österreichische FPÖ und die Estnische Konservative Volkspartei an. Für den Ausschluss von Fraktionsmitgliedern ist laut ID-Satzung eine absolute Mehrheit notwendig - demnach müssen fünf Delegationen zustimmen. Die Dänische Volkspartei hatte zwar nicht abgestimmt, was allerdings laut "Welt" als "Ja" gewertet wird.

Die AfD-Europaabgeordnete Christine Anderson hatte gegenüber dem AfD-Bundesvorstand darauf hingewiesen, dass der Ausschluss aus der Fraktion einen finanziellen Schaden in Millionenhöhe nach sich ziehe. Man hätte sich deshalb eine deutlichere Distanzierung der Parteiführung von Krah gewünscht. Diesem werden nicht nur umstrittene Äußerungen über die SS in einer italienischen Zeitung vorgeworfen. Ihm und dem stellvertretenden Spitzenkandidaten für die Europawahl, Petr Bystron, werden zudem enge Kontakte mit Russland beziehungsweise China zum Vorwurf gemacht. Die französische Partei Rassemblement National (RN) hatte am Montag das Ende ihrer Zusammenarbeit mit der AfD angekündigt.

WEIDEL UND CHRUPALLA ZEIGEN SICH GELASSEN

Die AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla äußerten sich in einer Stellungnahme gelassen. Man habe die Entscheidung der ID-Fraktion zur Kenntnis genommen, man strebe dennoch eine schlagkräftige Fraktion im EP nach der Europawahl an. "Um in Brüssel politisch wirken zu können, ist ein Zusammenarbeiten mit nahestehenden Parteien unerlässlich", betonen sie zugleich. Sie seien daher zuversichtlich, auch in der neuen Legislaturperiode "verlässliche Partner" an der Seite zu haben.

Derzeit sind die Rechtsaußen-Parteien im Europäischen Parlament in zwei Fraktionen gespalten. Der EKR-Fraktion (Europäische Konservative und Reformer) gehören etwa die Partei Fratelli d'Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die spanische Vox und die Schwedendemokraten an. RN, AfD und die österreichische FPÖ sind dagegen Mitglieder in der ID-Fraktion (Identität und Demokratie), die als radikaler gilt.

Es gibt aber auch Überlegungen, beide Fraktionen nach der Europawahl zu fusionieren, um mehr Einfluss auf die Politik in der EU zu bekommen. Denkbar ist auch, dass die ID die AfD nach der Wahl wieder aufnimmt. Es wird erwartet, dass rechtsradikale Parteien in etlichen Ländern bei den Wahlen vom 6. bis 9. Juni zulegen können.

(Bericht von Philip Blenkinsop, Benoit Van Overstraeten, Andreas Rinke, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)