ESSEN (awp international) - Nach dem Abgang von Thyssenkrupp -Chef Heinrich Hiesinger bleibt die Nachfolge an der Spitze des Industriekonzerns offen. Einen Übergangschef, der Hiesingers Aufgaben übernimmt, soll es zunächst nicht geben. Der verbliebene Vorstand - bestehend aus Guido Kerkhoff, Oliver Burkhard und Donatus Kaufmann - soll das Unternehmen erst einmal ohne Vorsitzenden weiterführen, teilte der Dax -Konzern am Freitag mit. Die Suche nach einem Nachfolger Hiesingers solle in einem "strukturierten Prozess" erfolgen.

Nach andauernden Querelen mit Grossaktionären über den weiteren Konzernumbau hatte Hiesinger am Donnerstagabend überraschend den Aufsichtsrat um eine einvernehmliche Auflösung seines Mandats als Vorstandschef gebeten. Der Aufsichtsrat des Industriekonzerns stimmte dem Rücktrittsgesuch am Freitag nach Angaben des Unternehmens zu.

Die Ankündigung Hiesingers kam nur wenige Tage, nachdem der Manager nach langem Tauziehen die Fusion des Stahlgeschäfts mit dem Europa-Geschäft des indischen Konkurrenten Tata unter Dach und Fach gebracht hatte. Hiesinger hatte erklärt, er "gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion im Aufsichtsrat über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen".

Vor allem der Grossaktionär Cevian hatte das Vorgehen Hiesingers immer wieder kritisiert und erklärte die Konglomerats-Strategie des Managers für gescheitert. Den Forderungen nach einer Zerschlagung hatte Hiesinger wiederholt Absagen erteilt.

Nach dem Rückzug des Managers verschärft sich nun die Debatte über eine Neuausrichtung des Mischkonzerns. Betriebsratschef Wilhelm Segerath warnte vor einem Ausverkauf auf Druck von Anteilseignern. Er sehe die Gefahr, dass der Rest von Finanzinvestoren zerschlagen wird.

Aufsichtsratschef Ulrich Lehner betonte nach einer Sitzung des Kontrollgremiums: "In dieser für das Unternehmen schwierigen Situation geht es nun zunächst darum, auf Kurs zu bleiben." Der Vorstand habe eine mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Strategie für die Weiterentwicklung. Dazu gehöre die Umsetzung des Gemeinschaftsunternehmens mit Tata im Stahlgeschäft. "Für die weiteren Geschäftsbereiche bestehen nach aussen klar kommunizierte Ziele, an denen das Unternehmen weiter arbeiten wird."

Hiesinger habe in seiner Zeit als Vorsitzender die Grundlage dafür geschaffen, dass Thyssenkrupp "als starker Industriekonzern bestehen kann". Für den seit gut sieben Jahren an der Spitze stehenden Manager war die Vereinbarung mit Tata ein lange erwarteter Befreiungsschlag. Die Stahlfusion soll den Weg für einen Konzernumbau ebnen. Die Strategie dafür soll bis Mitte Juli vorgelegt werden./sl/nas/he