FRANKFURT (dpa-AFX) - Der IPO-Markt wird sich Experten zufolge nach dem Teamviewer-Börsengang dieses Jahr nicht mehr stark beleben. Zumindest wenn sich die Entwicklung der letzten Monate bis zum Jahresende fortsetzt. "Wenn man das Jahr rückblickend betrachtet, haben die Spannungen zwischen den USA und China Spuren am Markt für Börsengänge hinterlassen", sagte Martin Steinbach, der sich beim Beratungsunternehmen EY vor allem mit Börsengängen beschäftigt, der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Mittwoch in Frankfurt.

Der Dreiklang aus Brexit, Handelskonflikt und trüben Konjunkturaussichten beherrsche die Atmosphäre, heißt es in einer EY-Studie, an der Steinbach mitgearbeitet hat. Wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase steige zwar der Investitionsdruck, aber anderseits sorgten der Brexit und der Handelskonflikt für mangelndes Vertrauen der Investoren. "Die Aussichten für das traditionell besonders aktive vierte Quartal sind daher gemischt."

In Europa hatte es im dritten Quartal weniger Börsengänge als vor einem Jahr gegeben - und nur dank Teamviewer blieb das Emissionsvolumen konstant. Von 3,5 Milliarden US-Dollar (3,18 Milliarden Euro) an Einnahmen aus Börsengängen erzielte das Göppinger Unternehmen mit umgerechnet 2,4 Milliarden Dollar den Löwenanteil und liegt sogar auf Rang zwei der weltweit größten Börsengänge in diesem Quartal.

Im Interview begründete Steinbach die Zurückhaltung auch mit einem Sinneswandel: "Investoren achten mehr auf Qualität, daher sind eine starke Unternehmensgeschichte, Profit, Management, Größe und erreichte Meilensteine wichtiger für das Investment." Neben einem neuen Fokus der Investoren könne jedoch auch das gestiegene Engagement der Regierungen zum Rückgang der Börsengänge beigetragen haben. Studien legen laut Steinbach nahe, dass mehr Regulierung zu weniger gelisteten Unternehmen führe.

Weniger Zugänge an der Börse sind ein Aspekt, Börsenabgänge ein anderer. Steinbach sieht nicht nur bei Investoren an der Börse einen steigenden Investitionsdruck, auch die Private-Equity-Branche habe "so viel Mittelzuwachs und Anlagedruck, dass es sich oft lohnt, gerade bei geringem Free-float, Unternehmen von der Börse zu nehmen." Dies mache aber nur dann Sinn, wenn "alle Vorteile, börsennotiert zu sein, weg sind. Dies wäre zum Beispiel anzunehmen wenn das frei handelbare Kapital unter 10 Prozent fällt".

Steinbach sieht die Börse jedoch weiterhin als lohnendes Betätigungsfeld: "Die nachbörsliche Performance bei internationalen Börsengängen ist positiv, das heißt zu investieren lohnt sich." Dies lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Laut EY-Studie haben die Investoren, die im dritten Quartal in Börsengänge investiert und die Aktien gehalten haben, in Asien ein Plus von 71 Prozent verbuchen können, in den USA waren es 11 Prozent, in Europa immerhin 10 Prozent./ssc/knd/he