Das Bruttoinlandsprodukt legte nur noch um 0,6 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch bekanntgab. Kauffreudige Verbraucher und der anhaltende Bauboom sorgten zumindest dafür, dass die zwischenzeitlich drohende Rezession ausblieb. 2018 hatte es noch zu 1,5 Prozent gereicht, 2017 sogar zu 2,5 Prozent. Solche Wachstumszahlen gehören Experten zufolge vorerst der Vergangenheit an.

"Die Konjunktur wird sich auch 2020 seitwärts bewegen", erwartet der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. Belastungsfaktoren wie die schwache Weltkonjunktur dürften nicht so schnell verschwinden. "Die große Frage ist: Wie lange trägt die Binnenwirtschaft noch?" sagte OECD-Ökonomin Nicola Brandt. "Wenn es nicht gelingt, die Unsicherheiten zu beseitigen, kann das auf die Binnenkonjunktur überschwappen." Die Industriestaaten-Organisation OECD rechnet mit einer Dauer-Flaute: Für 2020 erwartet sie ein Konjunkturplus von 0,8 Prozent, für 2021 von 0,9 Prozent. "Hält der Reformschlaf der Bundesregierung an, bleibt die Wachstumsrate niedrig", sagte auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt vom Bankhaus Lampe.

Der Politik bleiben aber Mittel, um neue Impulse zu setzen: Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung nahmen im vergangenen Jahr ungeachtet der schwachen Konjunktur zusammen 49,8 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Das ist das achte Jahr in Folge mit einem Plus, das aber nicht ganz an den 2018 erzielten Rekordüberschuss von gut 62 Milliarden Euro heranreichte. "Beschäftigung und Löhne sind weiter gestiegen. Das sorgte für mehr Steuer- und Beitragseinnahmen", erklärte Ökonom Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) die erneut schwarzen Zahlen.

"KONSUM UND BAU TRAGEN WACHSTUM"

Experten fordern, dass vor allem der Bund das Geld nutzt, um den Standort Deutschland zu verbessern. "Wenn die Regierung schon nicht die Steuern senken möchte, sollte sie das Geld für den dringenden Ausbau der verkehrlichen und digitalen Infrastruktur verwenden", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Damit könnte sie die Qualität des Produktionsstandorts Deutschland mittelfristig verbessern und in einer schwierigen konjunkturellen Situation Vertrauen bei den Unternehmen schaffen."

Gebremst wurde der Aufschwung im vorigen Jahr vom Außenhandel. Die Exporte wuchsen nur noch um 0,9 Prozent und damit weniger als halb so stark wie 2018. "Pleiten, Pech und Pannen: Handelsstreit und Brexit schraubten 2019 die politische Unsicherheit auf ein noch nie dagewesenes Niveau", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle zum schwachen Abschneiden. "Dies dämpfte den Außenhandel Deutschlands und die Investitionstätigkeit im Inland." Hinzu kommen massive Probleme der Autobranche, deren Produktion eingebrochen ist und die mit dem Wandel vom Verbrennungs- zum Elektromotor zu kämpfen hat.

Verlass war hingegen erneut auf die Verbraucher: Angesichts von Rekordbeschäftigung und steigender Kaufkraft konsumierten sie 1,6 Prozent mehr als im Jahr davor. "Spürbar steigende Tariflöhne, geringere Abgaben sowie höhere Renten und mehr Kindergeld haben die Kaufkraft gestärkt", erklärte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Auch der Bauboom hielt an, der weiter von extrem niedrigen Zinsen befeuert wird. Die Bauinvestitionen kletterten um 3,8 Prozent. "Dass die deutsche Wirtschaft überhaupt noch gewachsen ist, verdanken wir dem kräftigen privaten Konsum und der Bauwirtschaft", fasste der Konjunkturchef des DIW-Instituts, Claus Michelsen, zusammen. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht zwar leichte Besserungstendenzen, betonte im Monatsbericht aber: "Zum Jahreswechsel hat die deutsche Wirtschaft ihre konjunkturelle Schwächephase noch nicht überwunden."