BONN (dpa-AFX) - Zu Jahresbeginn hat die Deutsche Post keine leichten Päckchen zu tragen. Drei davon musste der Bonner Konzern nun schweren Herzens ablegen. Erst nahm das Management die gerade erst erhöhten Preise für Pakete zurück. Und vor wenigen Tagen gestand sich Vorstandschef Frank Appel ein: Mit dem Streetscooter und auch mit dem Gewinnziel für 2020 wird es wohl nichts mehr.

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN POST:

Als Appel im vergangenen Oktober die neue Strategie des Konzerns vorstellte, erwähnte er den Streetscooter schon gar nicht mehr. Nur auf Nachfrage äußerte er sich zur Zukunft des Elektro-Lieferwagens. Klar war zu diesem Zeitpunkt schon: Die Post sucht eine Lösung für ihre verlustbringende Tochter, ein Investor sollte her. Von einem Aus der Produktion war allerdings nie die Rede. Im Gegenteil: Nachrichten von einer Serienproduktion in China, Pläne für die USA und neue Manager von Tesla und Ford im Unternehmen lenkten die Aufmerksamkeit wieder verstärkt auf den Elektro-Flitzer.

Ohne Erfolg: Fast fünf Monate später wirft Appel das Handtuch und stellt die Suche nach einem Investor und bald die Produktion des Streetscooters ein. In diesem Jahr rollt der letzte Elektrotransporter vom Band, wie die Bonner Ende Februar mitteilten. Die Konzerntochter wird damit zu einem reinen Betreiber der Bestandsflotte.

Appel hatte zwar immer betont, dass die Post langfristig kein Autobauer sein will, dennoch kommt das Aus recht plötzlich. Denn obwohl der Streetscooter nie aus den roten Zahlen herauskam, schien das Management dies lange gelassen zu sehen. Von Konzernseite hieß es immer, man habe keinen Zeitdruck zu verkaufen. Es gehe um überschaubare Beträge für einen großen Konzern wie die Post. Im abgelaufenen Jahr lag der Verlust der Tochtergesellschaft bei 100 Millionen Euro.

Die Einstellung des Streetscooters wird den Konzern 2020 voraussichtlich 300 bis 400 Millionen Euro kosten. Und das ist nicht der einzige negative Effekt in diesem Jahr. Auch das neuartige Coronavirus wirkt sich bereits jetzt auf das Ergebnis der Facht- und der Expresssparte aus. Mitte Februar teilte die Post mit, dass sie keine Pakete mehr nach China, Hongkong und Macao annimmt. Auch der Abhol-, Zustell- und Lagerverwaltungsbetrieb der DHL in der chinesischen Provinz Hubei sei ausgesetzt. Die Auswirkungen der Corona-Krise führten allein im Februar zu einem Abschlag von 60 bis 70 Millionen Euro beim Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit).

Das alles macht der Post bei ihrem 5-Milliarden-Ebit-Ziel für das laufende Geschäftsjahr jetzt einen Strich durch die Rechnung: Diese Marke sei nur noch zu erreichen, wenn man die Folgen der Coronavirus-Epidemie und die Sonderbelastungen beim Streetscooter herausrechne. Analysten hatten das seit Jahren angepeilte Ziel immer angezweifelt, sich aber in den vergangenen Monaten langsam mit ihren Schätzungen angenähert.

Den Rückwärtsgang musste Appel zuletzt auch bei den Paketpreisen einlegen. Nach einer Preiserhöhung hatte die Bundesnetzagentur ein Verfahren eröffnet, weil sie die neuen Porti für zu hoch hielt. Um Zeit und Kosten zu sparen, senkt der gelbe Riese die Preise deshalb freiwillig wieder zum 1. Mai.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Mit dem Stopp des Streetscooter-Baus habe man eine konsequente Entscheidung getroffen, schreibt Analyst Andy Chu von der Deutschen Bank. Einige dürften wohl enttäuscht sein, dass die Post das Geschäft nicht verkaufen konnte, aber zumindest hätten die Verluste ein Ende. Der Ausstieg komme unerwartet, erklärt Christian Cohrs von Warburg, kommerziell sei der Schritt jedoch kaum relevant: "Wir rechnen mit einer Belastung von 0,30 Euro pro Aktie."

Deutlicher könnte sich dagegen die Corona-Krise auswirken. Analyst Volker Sack von der NordLB rechnet mit einem negativen Effekt beim Ebit von 280 Millionen Euro. Dirk Schlamp von der DZ Bank gibt außerdem zu bedenken, dass sich das Virus bei weiterer Verbreitung auch auf das europäische und das deutsche Geschäft auswirken könnte.

Von den 18 Experten im dpa-AFX-Analyser empfehlen derzeit 13 die Post-Aktie zu kaufen, 4 plädieren für halten, nur ein Analyst würde das Papier aktuell abstoßen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 36,61 Euro und damit etwa 40 Prozent über dem aktuellen Kurs.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Nach einem kräftigen Kursanstieg 2019 ist die Post-Aktie seit dem Jahreswechsel wieder günstiger geworden. Sie verlor in diesem Zeitraum mehr als ein Fünftel an Wert und rutschte Anfang der Woche auf den tiefsten Stand innerhalb eines Jahres. Zuletzt lag der Preis für eine Aktie bei rund 26 Euro. Im Dezember war das Papier noch 35 Euro wert. Ihren bisherigen Höchstwert hatte die Aktie Ende 2017 erreicht. Damals kostete das Papier 41,36 Euro./knd/stw/fba