Gaza-Stadt/Jerusalem (Reuters) - Die Vereinbarung zwischen Israel und die radikal-islamischen Palästinenser-Gruppe Hamas auf eine erste Waffenruhe und eine größere Geiselfreilassung nach mehr als sechs Wochen Krieg hat weltweit Erleichterung ausgelöst.

Die USA, die EU und China begrüßten am Mittwoch das von Katar vermittelte Abkommen als Hoffnungszeichen. Es sieht vor, dass 50 von der Hamas bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober verschleppte Frauen und Kinder freikommen. Im Gegenzug sollen mindestens 150 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen werden und eine viertägige Waffenruhe gelten, um humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu ermöglichen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach von einem Durchbruch.

Die Waffenruhe soll spätestens am Donnerstag in Kraft treten. Dann sollen laut der israelische Regierung auch erste Geiseln freikommen. Sie erklärte, die Waffenruhe könne verlängert werden, sofern weitere der rund 240 Geiseln freigelassen würden. Die Kämpfe gingen zunächst weiter. Angesichts der prekären humanitären Lage im Gazastreifen waren die internationalen Forderungen nach einer Waffenruhe zuletzt immer lauter geworden.

"Die angekündigte Freilassung einer ersten größeren Gruppe von #Geiseln ist ein Durchbruch - auch wenn nichts auf der Welt ihr Leid ungeschehen machen kann", schrieb Baerbock auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter). Die humanitäre Pause müsse genutzt werden, um lebensnotwendige Hilfe zu den Menschen im Gazastreifen zu bringen. Ähnlich äußert sich EU-Kommissionschefin Ursula Von der Leyen. Die EU-Kommission werde ihr Möglichstes tun, um diese Kampfpause für humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu nutzen, teilte sie mit. US-Präsident Joe Biden erklärte, die Vereinbarung werde auch die Heimkehr weiterer amerikanischer Geiseln ermöglichen. "Ich werde nicht aufgeben, bis sie alle frei sind", sagte Biden.

VERMITTLER KATAR HOFFT AUF UMFANGREICHES ABKOMMEN

Katar äußerte die Hoffnung, dass aus der Vereinbarung ein größeres Abkommen und eine dauerhafte Waffenruhe werden könne Auch Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas von der mit der Hamas rivalisierenden Fatah begrüßte die Einigung, forderte aber zugleich eine umfassende politische Lösung für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Auch im Westjordanland, wo Abbas regiert, hatten die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern zuletzt massiv zugenommen. Am Mittwoch wurden dort bei Einsätzen des israelischen Militärs sieben weitere Palästinenser getötet.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, 50 Frauen und Kinder würden im Laufe von vier Tagen freigelassen, mindestens zehn pro Tag. Darüber hinaus könne die Waffenruhe verlängert werden, wenn pro Tag weitere zehn Geiseln freikämen. "Die israelische Regierung ist entschlossen, alle Geiseln nach Hause zu bringen." Das Abkommen sei ein erster Schritt zur Erreichung dieses Ziels. Die Freilassung von Palästinensern aus israelischer Haft erwähnte er nicht. Aber das israelische Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit 300 Namen palästinensischer Gefangener, die freigelassen werden könnten.

Die Hamas teilte mit, dass zunächst 50 Geiseln im Austausch gegen 150 palästinensische Frauen und Kinder in israelischen Gefängnissen freigelassen würden. Hunderte Lastwagen mit humanitärer Hilfe und Treibstoff sollten in den Gazastreifen gelassen werden. Zudem habe Israel zugesagt, alle Luftangriffe auf den südlichen Gazastreifen einzustellen und eine tägliche sechsstündige Flugverbotszone über dem Norden einzurichten.

NETANJAHU: ZIEL BLEIBT DIE VERNICHTUNG DER HAMAS

Netanjahu bekräftigte, dass sich am grundsätzlichen Ziel Israels einer Zerschlagung der Hamas nichts geändert habe. "Wir befinden uns im Krieg, und wir werden ihn fortsetzen, bis wir alle unsere Ziele erreicht haben. Die Hamas zu zerstören, alle unsere Geiseln zurückzubringen und sicherzustellen, dass keine Gruppierung im Gazastreifen Israel bedrohen kann", sagte er. Auch die Hamas kündigte an, weiter gegen Israel zu kämpfen.

Die Kämpfe im Gazastreifen hielten vorerst an. Am Morgen war der Rauch von Explosionen über dem nördlichen Gazastreifen zu sehen. Das israelische Militär veröffentlichte Aufnahmen von Soldaten, die bei Häuserkämpfen in engen Gassen schossen. Es informierte auch über Luftangriffe. Die israelischen Streitkräfte seien weiterhin im Gazastreifen im Einsatz, "um terroristische Infrastrukturen zu zerstören, Terroristen auszuschalten und Waffen aufzuspüren", hieß es.

Der Krieg begann am 7. Oktober mit einem Angriff der Hamas auf Israel, bei dem die Islamisten nach israelischen Angaben 1200 Menschen töteten und rund 240 Geiseln nahmen. Unter den Geiseln sind zahlreiche Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, auch Deutsche. Israel reagierte mit Luftangriffen und dem Einmarsch in das Palästinensergebiet. Seitdem wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Palästinenser-Behörden mehr als 14.000 Bewohner des Gazastreifens getötet. Nach UN-Angaben sind zwei Drittel der 2,3 Millionen Einwohner des dicht besiedelten Küstenstreifens obdachlos geworden.

(Bericht von James Mackenzie, Dan Williams, Emily Rose, Henriette Chacar, Andrew Mills, Steve Holland, Jonathan Landay und Ahmed Mohamed Hassan, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Christian Rüttger.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von James Mackenzie und Dan Williams