Ramallah (Reuters) - Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fordert von Israel einen besseren Schutz der Palästinenser im Westjordanland und nennt das Vorgehen radikaler jüdischer Siedler illegal.

"Es ist die Verantwortung der israelischen Regierung, bei Angriffen auf Menschen, die hier legitim leben und illegal angegriffen werden, den Rechtsstaat umzusetzen und durchzusetzen", sagte Baerbock am Montag bei einem Besuch der palästinensischen Ortschaft Al-Masra ah al Kiblijah in der Nähe von Ramallah im Westjordanland. "Das, was hier passiert, ist illegal, illegal unter israelischem Recht und illegal unter internationalem Recht." Und es sei "die Verantwortung der israelischen Armee, die Palästinenserinnen und Palästinenser vor gewaltsamen Siedlern zu schützen".

Vor Ort sprach die Ministerin mit Anwohnern, die von Enteignungen ihrer Häuser und Felder berichteten. Die beiden Brüder Samhan und Mohammed Schreiteh erzählten, sie seien von radikalen jüdischen Siedlern nach dem Hamas-Massaker in Israel am 07. Oktober aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben worden. Zu ihren Olivenfeldern könnten sie nicht mehr, die Ernte könne nicht eingeholt werden. Die Berichte wurden vor Ort von einer Nichtregierungsorganisation bestätigt, die allerdings anonym bleiben wollte.

"Hier im Westjordanland zeigt sich, ... wie dringend nötig eine Zweistaatenlösung ist, aber auch, wie unglaublich sie gefährdet ist", sagte Baerbock. Hinter der Ministerin stand eine Drohne in der Luft, offenbar von den jüdischen Siedlern auf dem nächsten Hügel für Filmaufnahmen gesteuert. "Die Menschen hier können aus Angst vor Gewalt von radikalen Siedlern ... nicht mehr hier wohnen, ihre Kinder können nicht mehr zur Schule gehen, und sie können ihre Ernte hier nicht mehr einholen", kritisierte die Ministerin. Die Zunahme der Gewalt seit dem 07. Oktober auch im Westjordanland zeige auch: "Stabilität in Gaza und im Westjordanland sind eng miteinander verknüpft."

"DIE MÖGLICHKEIT HABEN, DASS ES HOFFNUNG GIBT"

Was hier im Kleinen deutlich werde, zeige sich auch im Großen, was es brauche für eine Zweistaatenlösung, sagte Baerbock. "Jeder muss anerkennen, dass der andere in Sicherheit leben muss." Die Haltung der Bundesregierung sei daher ganz klar: "Der Siedlungsbau ist illegal." Er untergrabe einen dauerhaften Frieden, gefährde eine Zweistaatenlösung "und gefährdet damit auch die Sicherheit Israels." Vor allem junge Menschen müssten eine Möglichkeit haben, dass sie hier bleiben wollten und könnten. "Sie müssen die Möglichkeit haben, dass es Hoffnung gibt, dass die Zukunft besser ist als die Vergangenheit."

In Ramallah traf Baerbock im Anschluss mit dem Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Riad al-Maliki, zusammen. Das Westjordanland steht unter teilweiser Kontrolle der Behörde. Ihr wird aber Korruption vorgeworfen, das Vertrauen der Palästinenser in sie schwindet zunehmend. Am Sonntag hatte Baerbock in Jerusalem mit dem israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog und dem neuen Außenminister Israel Katz gesprochen. Mit Blick auf den Krieg gegen die radikal-islamische Palästinenser-Gruppe Hamas im Gazastreifen bekräftigte die Ministerin, Israel habe das Recht sich zu verteidigen, müsse dabei aber die Zivilbevölkerung schonen.

Hamas-Kämpfer waren am 07. Oktober auf israelisches Gebiet eingedrungen und hatten rund 1200 Menschen getötet, zumeist Zivilisten. Zudem ließ die radikal-islamische Organisation etwa 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppen. Israel reagierte mit der Bombardierung des palästinensischen Küstenstreifens und startete eine Bodenoffensive, die nach wie vor andauert. Erklärtes Ziel ist die Vernichtung der Hamas. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden sind dabei bislang mehr als 23.000 Palästinenser getötet worden. Im Westjordanland kam es seitdem wiederholt zu Übergriffen jüdischer Siedler auf Palästinenser, aber auch zu Zusammenstößen zwischen der israelischen Armee und militanten Palästinensern.

(Bericht von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)