Al-Arisch/Rafah/Kairo (Reuters) - Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fordert eine 24-stündige Öffnung des ägyptischen Grenzübergangs Rafah zum Gazastreifen, um den Menschen dort besser helfen zu können.

"Dafür werden wir uns mit aller Kraft einsetzen", sagte Baerbock am Dienstag nach einem Besuch in Rafah. "Das Leben in Gaza ist die Hölle." Im Grenzgebiet zu Ägypten stauten sich 3000 vollgeladene Lkw mit Hilfsgütern, die nicht in den Gazastreifen einfahren könnten. Dies könne angesichts der dramatischen Lage der Bevölkerung nicht so weitergehen.

Die Lastwagen könnten nicht an diesem Flaschenhals über Tage warten, sagte Baerbock. Der Grenzübergang ist derzeit nur bei Tageslicht geöffnet. In Israel müssten ebenfalls weitere Grenzübergänge geöffnet werden, um auch von dort Hilfsgüter in den Gazastreifen transportieren zu können. Israel fordert vor einer Lieferung eine eigene Überprüfung der Güter. Im Anschluss stecken die Lkw wegen Auflagen oft tagelang am Übergang Rafah fest, wie auch die Vereinten Nationen vor Ort berichten.

Es sei zudem zentral, dass es wieder zu humanitären Waffenruhen komme, forderte Baerbock. Hilfsorganisationen brauchten einen besseren Zugang zu dem Küstenstreifen, und die Sicherheit der Mitarbeiter müsse garantiert werden.

Am Flughafen in Al-Arish in der Nähe des Grenzübergangs hatte Baerbock zuvor ein Zehn-Tonnen-Hilfspaket für Palästinenser übergeben. Die Güter werden dem Ägyptischen Roten Halbmond zur Verfügung gestellt. Enthalten sind Isomatten, Decken, Kinderschlafsäcke und Feldbetten für Menschen in Gaza. Seit Beginn des Krieges als Reaktion auf den Überfall der Hamas vom 07. Oktober hat Deutschland seine humanitäre Hilfe für die Palästinensischen Gebiete nach Angaben des Auswärtigen Amts auf insgesamt 203 Millionen Euro nahezu verdreifacht.

"MENSCHEN DÜRFEN NICHT VERTRIEBEN WERDEN"

In Kairo war Baerbock zuvor mit Ägyptens Außenminister Sameh Schukry zusammengekommen. Baerbock pochte in einer anschließenden Pressekonferenz darauf, dass der Gazastreifen und das teilweise von Israel besetzte Westjordanland Heimat der Palästinenser sein müssten. Darin seien sich Deutschland und Ägypten einig, sagte Baerbock. Die Palästinenser dürften aus diesen Gebieten nicht vertrieben werden. Nach einem Ende des Krieges komme auf die internatonale Gemeinschaft die Verantwortung zu, die Sicherheit im Gazastreifen zu gewährleisten, sagte Baerbock, ohne dies näher auszuführen.

Nationalistische Minister der israelischen Regierung hatten angeregt, alle Palästinenser sollten den Gazastreifen verlassen. Das hatte weltweit Empörung ausgelöst. Zudem betrachten die Vertreter der an der Regierung beteiligten extremistischen Parteien das Westjordanland als israelischen Territorium.

Auch eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde müsse mehr Verantwortung übernehmen, sagte Baerbock. Israelis und Palästinenser könnten nur mit einer Zweistaatenlösung in Frieden zusammenleben. Die radikal-islamische Hamas habe sich gegen die eigene Bevölkerung gestellt, sie müsse die Waffen niederlegen. Die Fatah-Partei des Präsidenten der Autonomie-Behörde, Mahmud Abbas, kontrolliert das Westjordanland. Im Gazastreifen regiert die Hamas, die die Fatah nach einem blutigen Machtkampf 2007 aus der Küstenregion vertrieben hatte.

(Bericht von Alexander Ratz, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)