Der Bundesverband der Deutschen Industrie rechnet für 2019 zwar mit einem Wirtschaftswachstum auf Vorjahresniveau von 1,5 Prozent. "Bei massiven Störungen im Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bliebe im besten Fall noch die Eins vor dem Komma", warnte BDI-Präsident Dieter Kempf jedoch am Donnerstag in Berlin. "Ein chaotischer Brexit rückt nun in gefährliche Nähe, Unternehmen schauen in diesen Wochen in den Abgrund." Das britische Parlament hat gerade den von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag abgelehnt.

Der Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals bleibe nichts anderes übrig, als alle Vorkehrungen für einen ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens zu treffen, monierte Kempf. "Einige Firmen haben bereits angekündigt, die Produktion im Königreich ab April ruhen zu lassen." Andere hätten Personal verlagert oder Geschäfte eingestellt. Ein Abschied Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen sei keine Option - weder für britische, noch für europäische Firmen. Eine Prognose für die deutsche Konjunktur 2020 wagte Kempf wegen der ausgeprägten Unsicherheit nicht. "Das wäre alles Kaffeesatzleserei."

Zudem bereite der Blick auf die Weltmärkte der Industrie Bauchschmerzen. "Wirtschaftlich sind die besten Zeiten vorbei", betonte Kempf. Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump bleibe ein ernstes Problem. Der Zollkonflikt der USA mit China sei zu einem bedrohlichen Risiko für die gesamte Weltwirtschaft geworden. Umso dringlicher sei eine Reaktion aus Europa. "Protektionismus ist keine Antwort auf protektionistische Maßnahmen", so der BDI-Chef. Doch müsse die Politik in Brüssel die funktionierende Markt- und Wettbewerbsordnung der EU vor Eingriffen anderer Staaten und weiteren Einschränkungen des freien Handels wirkungsvoller schützen.

Der BDI sieht enormen wirtschaftspolitischen Handlungsdruck auch für die Innenpolitik in Deutschland. Die Bundesregierung habe sich zu lange mit Umverteilen beschäftigt und zu wenig mit Zukunftsinvestitionen. Kempf nannte als Beispiel die Steuerpolitik: "Deutschland ist zum Höchststeuerland geworden. Es ist längst überfällig, die Steuern zu senken." Die effektive Steuerlast der Firmen hierzulande sei auf mehr als 30 Prozent gestiegen, während der EU-Durchschnitt bei rund 22 Prozent liege. Es gehe nicht darum, nur "tumb Steuersenkungen zu verlangen", sagte Kempf. "Es geht darum darzulegen, dass wir uns im steuerpolitischen Wettbewerb einfach rausmanövriert haben."