Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Zinsen nicht geändert, und überdies an der Sprachregelung festgehalten, dass es selbst für Diskussionen über Zinssenkungen noch zu früh sei. EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwähnte in ihrer Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung die Möglichkeit einer Zinssenkung im Juni nicht, verwies aber auf erste Anzeichen für ein abnehmendes Tempo der Lohnanstiege. Den Erwartungen der Finanzmärkte, wo für 2024 fünf Zinssenkungen eingepreist sind, widerstand die EZB. Alles in allem erfüllten eine standfeste EZB und ihre Präsidentin damit die Erwartungen von Analysten. Die nächste Zinsentscheidung steht Anfang März an.

Das sind die fünf wichtigsten Erkenntnisse des Tages:


   1. Die Leitzinsen bleiben unverändert 

Der Satz für Bankeinlagen bei der EZB bleibt bei 4,00 Prozent, der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,50 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 4,75 Prozent. Der ausschlaggebende Einlagensatz liegt damit weiter um mehr als 1 Prozentpunkt über der für dieses Jahr erwarteten Inflationsrate und kann als restriktiv bezeichnet werden.


   2. EZB will ausreichend restriktive Zinsen 

Sinkt die erwartete Inflation weiter, wird der Zins automatisch noch restriktiver, und ab einem bestimmten Punkt dürfte die EZB ihre Zinsen deshalb senken. Aber nicht so bald - das ist aus Sicht der EZB eine wichtige Botschaft. "Wir wollen weitere Fortschritte beim Disinflationsprozess sehen, eher wir zuversichtlich sein können, dass die Inflation dauerhaft auf den Zielwert von 2 Prozent sinkt", sagte Lagarde in ihrer Pressekonferenz.


   3. Lagarde verweist auf sinkenden Lohndruck 

Eine wichtige - im Dienstleistungssektor sogar die wichtigste - Einflussgröße der Inflation ist die Lohnentwicklung. Die EZB bestreitet den Beschäftigten nicht das Recht, die erlittenen Reallohnverluste wettzumachen. Sie hofft aber erstens auf nicht zu große Schritte und zweitens darauf, dass die Unternehmen die so entstehenden höheren Kosten nicht mehr 1:1 auf die Preise umlegen. Auf die Frage, ob der Lohndruck weiter sinken müsse, antwortete Lagarde: "Das Lohnwachstum hat sich bereits leicht verlangsamt."


   4. Wann senkt die EZB die Zinsen? 

Lagarde nahm das Wort "Juni" nicht ein Mal in den Mund und sagte erneut, dass aus Sicht des Rats Diskussionen über eine Leitzinssenkung verfrüht wären. Aber ihre Aussagen zum Lohnwachstum und die Feststellung, dass "der Abwärtstrend des unterliegenden Inflationsdrucks intakt" sei, lässt manchen Ökonomen zuversichtlicher werden, dass es im Juni so weit ist - spätestens. Mancher Beobachter sah sogar eine gewisse Zögerlichkeit der EZB-Präsidentin, eine Lockerung schon im April auszuschließen. ESTR-Futures preisen für Juni einen um 47 Basispunkte niedrigeren Einlagenzins ein.


   5. Bilanzverkleinerung beschleunigt sich ab Juli 

Die Verkleinerung der EZB-Bilanz über das Fälligwerden erworbener Anleihen läuft wie im Dezember beschlossen. Ab Juli sinken die unter den PEPP-Programm erworbenen Anleihebestände um monatlich 7,5 Milliarden Euro. Ab 2024, wenn es gar keine Wiederanlage mehr gibt, beschleunigt sich der Abbau weiter.

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January 25, 2024 11:04 ET (16:04 GMT)