Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Marke von 17.000 Punkten im DAX ist gefallen. Eine überraschend taubenhafte US-Notenbank machte es möglich. Dass das Rekordniveau zunächst nicht gehalten hat, lag vor allem an einer im Vergleich zurückhaltenderen EZB. Die Chancen auf neue Rekordstände bis Jahresende sind allerdings nicht schlecht, und das trotz der 2.000-Punkte-Rally. Es ist die Zeit des "Window Dressing". Institutionelle Anleger nutzen die letzten Tage des Jahres gerne dazu, um die Performance ihrer Portfolios "aufzuhübschen". Angesichts der stark überkauften Technik ist eine Korrektur übergeordnet nur eine Frage der Zeit. Diese sollte aber überschaubar ausfallen.

Dieses Mal ist das Kalkül der Finanzmärkte aufgegangen. Die Hoffnung auf eine taubenhafte Wende in der geldpolitischen Kommunikation der US-Notenbank ist erfüllt worden. Die Fed stellt für das kommende Jahr nun drei statt bislang zwei Zinssenkungen in Aussicht. Eckhard Schulte, Chef des Vermögensverwalters MainSky Asset Management, spricht von einer "geldpolitische Sensation". Die Notenbank habe den sogenannten Pivot, also den Wendepunkt in den Leitzinsen, nun offiziell gemacht und die Märkte auf Zinssenkungen um insgesamt 75 Basispunkte (Bp) 2024 eingestellt. Zudem habe sie ihre Inflationsprognosen für die kommenden beiden Jahre gesenkt.


   Commerzbank rechnet nun 2024 mit 6 Zinssenkungen in den USA statt bisher 4 

Die Commerzbank geht jetzt für 2024 von sechs Zinssenkungen in den USA zu je 25 Basispunkten aus nach bisher vier erwarteten Zinsschritten und unverändert weiteren zwei Anfang 2025. Der Leitzins würde damit um insgesamt 200 Bp auf dann 3,25 bis 3,50 Prozent sinken.

Am deutschen Aktienmarkt wurde die neue Zinserwartung für den Dollarraum mit einem Allzeithoch bei 17.003 Punkten gefeiert. Dass der Index jetzt "nur" noch bei 16.800 steht, liegt an der EZB. Denn EZB-Präsidentin Christine Lagarde äußerte sich merklich zurückhaltender in ihren Kommentaren als ihr Amtskollege Jerome Powell. Über Zinssenkungen sei nicht einmal gesprochen worden, sagte sie. Allerdings dürfte der Druck der Tauben im EZB-Rat zunehmen. Die Commerzbank erwartet jetzt, dass die EZB die Zinsen bereits im Juni (zuvor: Dezember) um 25 Basispunkte senken wird. Bis zum Frühjahr 2025 dürften weitere drei Zinssenkungen von jeweils 25 Basispunkten folgen, sodass der Einlagensatz dann bei 3,0 Prozent stehen sollte.


   Institutionelle Investoren schließen die Bücher 

Allerdings sind diese aus Marktsicht günstigen Zinsaussichten an den Börsen bereits vollständig eingepreist. Nach einer Rally von 2.000 Punkten im DAX stehen die Zeichen eigentlich auf Korrektur, der deutsche Auswahlindex ist technisch überkauft. Dass der DAX aber trotzdem gute Chancen auf neue Rekordstände bis Jahresende hat, liegt vor allem am "Window Dressing". Institutionelle Anleger nutzen die letzten Tage des Jahres gerne dazu, um die Performance ihrer Portfolios "aufzuhübschen". Das ist vergleichsweise günstig darstellbar angesichts der dann ausgedünnten Volumina an den Finanzmärkten. Viele Profianleger sind bereits dabei, ihre Bücher zu schließen und sich in die Weihnachtspause zu verabschieden.

Hinzu kommt, dass bis zum Jahreswechsel kaum noch Wirtschaftsdaten anstehen, die den Markt theoretisch belasten könnten. Die nächsten US-Arbeitsmarktdaten sowie europäischen Inflationsdaten stehen erst im Januar an. Die US-Daten sollten das Bild einer weiterhin recht soliden Verfassung des dortigen Arbeitsmarktes unterstreichen, bei den Preisdaten gehen Volkswirte davon aus, dass die Inflation im Dezember nach dem Rückgang wieder auf 3 Prozent steigen wird - weder aus Sicht der EZB noch der Märkte ein echtes Problem. Der am kommenden Montag anstehende Ifo-Geschäftsklimaindex für Dezember wird wenig verändert prognostiziert und dürfte kaum das Zeug haben, die Märkte stärker zu bewegen.


   DAX bewegt sich im "uncharted territory" 

Technisch befindet sich der DAX im "uncharted territory". Wie weit der Index noch steigen kann, bevor es zur unvermeidlichen Korrektur kommen wird, ist weitgehend Spekulationsmasse. Auch was den Auslöser für diese liefern wird, ist unklar. Nicht untypisch wäre der heute stattfindende große Verfall von Futures und Optionen auf Indizes und Einzeltitel. Wie weit könnte es für den DAX nach unten gehen? Das vorherige Jahreshoch bei 16.529 Punkten bietet einen natürlichen Halt, danach rücken die Unterstützungen bei 16.400 und dann 16.000 Punkten in den Blick. Ein Test dieser Marken wäre keine Katastrophe, sondern vielmehr eine gesunde Konsolidierung, die Aufstockungsoptionen bieten könnte.

Übergeordnet sind die fundamentalen Aussichten nicht schlecht. "Wir sehen gute Gründe, dass diese Aktienkursentwicklung nicht nur Substanz, sondern auch weiteres Potenzial hat", heißt es bei der DZ Bank. Die Kursentwicklung werde durch Unternehmensgewinne gestützt. Die Analysten sehen für den Löwenanteil der DAX-Gewinnerwartungen nur ein moderates Revisionsrisiko. Eine gewisse Erholung des Wirtschaftsumfeldes sei zwar bereits eingepreist, aber es stecke noch genug Pessimismus in den Kursen drin. Mit 12,5 rangiere das DAX-KGV weiter auf einem historischen Krisenniveau. Das DAX-Ziel 2024 der DZ Bank von 17.500 Punkten sei wahrscheinlich zu konservativ.

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December 15, 2023 07:52 ET (12:52 GMT)