BERLIN (dpa-AFX) - In Berlin sind Zehntausende Menschen aus Solidarität mit den Protesten im Iran durch das Regierungsviertel gezogen. Aus weiten Teilen Europas kamen die Demonstranten am Samstag an der Berliner Siegessäule zusammen, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichteten. Nach Einschätzungen der Polizei waren rund 80 000 Menschen vor Ort. Stundenlang strömten die Massen aus allen Richtungen zur Demonstration. In den sozialen Medien war aus dem Umfeld der Veranstalter von 100 000 Teilnehmern und mehr die Rede. Auch in anderen Städten der Welt zogen am Samstag Tausende durch die Straßen.

Prominent und laut wurde in Berlin der Slogan der Proteste "Frau, Leben, Freiheit" gerufen. Immer wieder forderten die Demonstranten den Sturz des Islamischen Regierungssystems - sie riefen "Tod Chamenei". Ali Chamenei hat im Iran als Oberster Religionsführer und Staatsoberhaupt in allen wichtigen Belangen das letzte Wort. Die landesweiten Proteste hatte Chamenei jüngst als eine Verschwörung aus dem Ausland bezeichnet. Doch kaum jemand glaubt dieser Darstellung.

Angemeldet hatte die Demonstration in Berlin das "Woman* Life Freedom Kollektiv", das sich gegen Unterdrückung und Diskriminierung im Iran starkmachen will. Zahlreiche Organisationen unterstützten den Aufruf. Vom Großen Stern in Berlin zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch das Berliner Regierungsviertel am Tiergarten entlang. Es war eine der größten Solidaritätsdemonstrationen mit dem Iran im Ausland der vergangenen Jahrzehnte. Im Netz verbreiteten sich schnell Bilder der Demonstration, die von Iranern weltweit verfolgt wurde.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bekundete auf Twitter ihre Unterstützung für die Demonstration. "Wir stehen an Eurer Seite", schrieb die Ministerin. "Wir werden Eure Stimme sein."

Auch der Aktivist Hamed Esmaeilion reiste nach Berlin. Seine Frau und Tochter waren bei dem Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine nahe Teheran im Januar 2020 ums Leben gekommen. Seitdem tritt er immer wieder gegen die Islamische Republik auf. Der Arzt und Autor forderte die Weltgemeinschaft auf, Verhandlungen mit dem Iran zu stoppen und Botschafter auszuweisen. "Wir alle haben Träume, und unsere Träume werden nur Wirklichkeit, wenn der Iran von den Fesseln einer islamischen Republik befreit wird", sagte der 45-Jährige, der von den Demonstranten bejubelt wurde.

Für eine Iranerin aus Belgien, die mit ihrem Partner am Morgen angereist war, ging es um ein Zeichen der Solidarität: "Wir sind heute hier, damit die EU unsere Stimme hört", erzählte die 31 Jahre alte Sara am Rande der Demonstration. "Wir schreien hier, was die Leute im Iran schreien." Sie wünscht sich, dass sich die Menschen bei den Protesten im Iran durch Demonstrationen im Ausland gestärkt fühlen. Esmaeilion sei auch ihre Stimme, sagte sie.

Die Demonstration in Berlin war friedlich, die Polizei bezeichnete sie als "überwiegend störungsfrei". Zu Beginn wurde kurz Pyrotechnik gezündet. Auch an der iranischen Botschaft in Berlin demonstrierten am Samstag mehrere Mitglieder der Kurdischen Gemeinde mit einer Kranzniederlegung und Schweigeminute gegen das gewaltsame Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte im Iran.

Auslöser der Massenproteste im Iran war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seitdem demonstrieren im Iran Tausende gegen den repressiven Kurs sowie das islamischen Herrschaftssystem./arb/DP/he