Berlin (Reuters) - Die Frage einer Umsetzung eines möglichen Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshof gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat in Deutschland eine scharfe Debatte ausgelöst.

CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte am Mittwoch, dass die Bundesregierung nicht wie von Israel gefordert ausschließt, dass ein Haftbefehl in Deutschland auf keinen Fall vollstreckt würde. Er sprach gegenüber der "Bild" von einem "Skandal".

Zuvor hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin auf die Frage, ob sich die Bundesregierung grundsätzlich an Entscheidungen des IStGH halten werde, gesagt: "Wir halten uns an Recht und Gesetz." Deutschland sei "grundsätzlich" Unterstützer des Internationalen Strafgerichtshofes und dabei bleibe es. Es gehe aber um eine hypothetische Frage, zumal der Strafgerichtshof nicht einmal entschieden habe, ob er dem Antrag des Chefanklägers Karim Khan überhaupt folgt.

Dieser hatte internationale Haftbefehle gegen drei Hamas-Anführer, aber auch gegen Netanjahu und den israelischen Verteidigungsminister Joaw Gallant beantragt - zum einen wegen des Hamas-Überfalls auf Israel, zum anderen wegen der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen. Kanzleramt und Außenministerium kritisierten daraufhin, dass der Eindruck einer Gleichsetzung entstehe.

Auf die Frage nach der Forderung der israelischen Regierung, dass Regierungen der "zivilisierten Welt" jetzt erklären sollten, einen möglichen Haftbefehl auf keinen Fall zu vollstrecken, wich der Regierungssprecher aus. Außenministerin Annalena Baerbock hatte der "Bild" ebenfalls in allgemeiner Form gesagt: "Wir schätzen die Unabhängigkeit von Gerichten. Wir können uns doch nicht aussuchen: Heute gefällt uns ein Gericht und morgen nicht."

CDU-Chef Merz übte dagegen harsche Kritik. Natürlich könne und müsse man jetzt auch die israelische Regierung kritisieren, sagte er der "Bild". "Aber der Internationale Strafgerichtshof ist eingerichtet worden, um Despoten und autoritäre Staatsführer zur Rechenschaft zu ziehen, nicht um demokratisch gewählte Regierungsmitglieder festzunehmen."

Deutschland ist anders als die USA, Russland oder Israel Unterzeichnerstaat des IStGH und hat internationale Organisationen und Gerichte immer gefördert. Deshalb gilt es in Regierungskreisen als sehr schwierig, einen bestehenden Haftbefehl nicht zu vollstrecken, sollte Netanjahu nach Deutschland reisen. Andererseits gilt die Verhaftung eines israelischen Regierungschefs wegen der deutschen Verantwortung für den Holocaust als extrem heikel.

(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)