Börsen-Zeitung: Sportlicher Jahresauftakt, Marktkommentar von Kai

Johannsen

Frankfurt (ots) - Rückblickend wird die Wertschätzung freier Tage

häufig nicht nur daran gemessen, ob man Erholung, neue Eindrücke oder

möglicherweise sogar neue Freunde gewonnen hat, sondern auch daran,

wie lange der ausgeruhte Zustand nach dem Urlaub anhält. Im besten

Fall bleibt trotz großer Herausforderungen im Alltag ein Eindruck von

Leichtigkeit zurück, der über mehrere Wochen bestehen bleibt. Für

viele Investoren, die am Montag der abgelaufenen Woche frisch aus dem

Urlaub zurückgekehrt sind, dürften die ersten Handelstage am

Aktienmarkt die Erholung auf eine harte Belastungsprobe stellen. Man

kann den Analysten von M.M. Warburg bei dieser Einschätzung nur Recht

geben, muss aber zwei Dinge hinzufügen. Erstens: Nicht nur am

Aktienmarkt. Zweitens: Der sportliche Jahresauftakt an den

Finanzmärkten gibt einen Vorgeschmack auf das, was in diesem Jahr

wohl noch so auf die Anleger zukommt. Es wird sportlich bleiben, um

nicht wieder das Wort "volatil" zu bemühen.

In der Tat: An den Finanzmärkten ging es in den ersten Tagen des

neuen Jahres wirklich rund, und zwar rund um den Globus. Die

Schockwellen kamen - wieder einmal, möchte man hinzufügen - aus

China. Erneut wurden die Sorgen befeuert, dass das

Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte ganz gehörig abflauen oder die

Konjunktur sogar eine harte Landung hinlegen könnte. Der Yuan wertete

kräftig gegenüber dem Dollar ab. Die Verspannungen waren am gesamten

Währungsmarkt zu spüren. Der Rohölpreis wurde von den

Konjunktursorgen ein weiteres Mal in Mitleidenschaft gezogen und

marschierte in Richtung 30-Dollar-Marke. Auch die Industriemetalle,

von denen die Chinesen so Einiges benötigen, standen auf den

Verkaufslisten der Anleger. Selbstredend, dass auch die

risikobehafteten Aktien in diesem Umfeld nicht gerade eine

aufwärtsgerichtete Tendenz aufwiesen, sondern es praktisch überall in

Richtung Süden ging. Chinas Aktienkurse rauschten in die Tiefe, so

dass gleich die erst zum Jahresanfang eingeführten Circuit Breaker

(Handelsunterbrechungen an der Börse) aktiviert wurden und für den

Rest des Tages alles still stand. Flugs entschieden sich die Chinesen

nach eilig einberufenen Beratungen, die Circuit Breaker doch erst mal

wieder abzuschaffen. Mal sehen, was die neue Woche in dieser Hinsicht

bringt. Neue Crashs und eine Wiedereinführung der

Handelsunterbrechungen vielleicht. Flexibilität haben die Chinesen ja

unter Beweis gestellt, könnte man spöttisch hinzufügen.

Die China-Turbulenzen waren an anderen asiatischen Aktienmärkten

und auch den Emerging Markets wie etwa Brasilien zu spüren. Natürlich

kam auch Europa nicht ungeschoren davon. Besonders heftig erwischte

es den deutschen Aktienmarkt und damit auch den Dax. Deutsche Aktien

erlebten mit dem Kursrutsch am Montag ihren schwächsten Jahresauftakt

seit dem Jahr 1988. Und so mancher Investor dürfte sich beim

Tiefstand des deutschen Leitindex am Donnerstag, der unterhalb der

Marke von 10.000 bei 9.810 Punkten gemessen wurde, verwundert die

Augen gerieben haben, war doch praktisch die gesamte

Jahresperformance aus 2015 am vierten Handelstag 2016 futsch. Später

setzten sich die Notierungen deutscher Blue Chips dann vom Boden ab.

Den Freitag landeten sie dann wieder im Minus. Gefragt war

Sicherheit, der Bund-Future nahm Kurs auf Rekord.

Eine gewisse Sportlichkeit ist aber auch den Verantwortlichen bei

der US-Notenbank nicht abzusprechen. Die Meldung ist in dem Trubel an

den Märkten ein wenig untergegangen. Jeffrey Lacker, Chef der Fed von

Richmond, sagte in einer Rede, die von seinen Fed-Kollegen im Mittel

vorhergesagten vier Zinsschritte nach oben in diesem Jahr seien mit

Vorsicht zu genießen. Hört, hört - möchte man meinen.

Interessant ist aber, was er hinzufügte: Es könnten auch mehr

werden, falls sich der Ölpreis stabilisiere und Dollar nicht mehr

aufwerte! Sportlich, sportlich, kann man da nur sagen. In diesem

Umfeld tatsächlich noch daran zu denken, dass man 2016 mehr als

viermal den US-Leitzins nach oben befördern kann, muss in diesen

Tagen - wohlwollend formuliert - als Wunschdenken bezeichnet werden.

Andersherum wird ein Schuh daraus: Wenn die Märkte im Gefolge

eines schwächeren chinesischen und damit wohl auch weltweiten

Wachstums noch ein paar Mal abrutschen und der Dollar weiter

aufwertet, kann die Fed von Glück reden, wenn sie in diesem Jahr den

Zinsschritt vom Dezember nicht wieder rückgängig machen muss.

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