Der Deutsche Derivate Verband ist die Branchenvertretung der 16 führenden Emittenten derivativer Wertpapiere in Deutschland. Er wurde am 14. Februar 2008 gegründet und hat Geschäftsstellen in Frankfurt a. M. und Berlin. marktEINBLICKE sprach mit Dr. Hartmut Knüppel, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV).

marktEINBLICKE: Aktien gelten in Deutschland vielfach als Spielzeug für Spekulanten, Derivate genießen spätestens seit der Finanzkrise einen noch schlechteren Ruf. Inwieweit konnten Sie in Ihrer Amtszeit dem DDV-Auftrag gerecht werden und die Verständlichkeit und Transparenz der Produkte sowie den Schutz der Anleger verbessern?

Dr. Knüppel: Bereits in unserem Gründungsjahr 2008 starteten wir eine Transparenzinitiative, die inzwischen viele wichtige Einzelprojekte umfasst. Als Beispiele seien hier nur die Produktklassifizierung in Form der Derivate Liga oder die Vereinheitlichung der Fachbegriffe genannt. Zudem verpflichteten sich die Mitglieder des DDV im Rahmen des Fairness Kodex zu einer sehr hohen Kostentransparenz. Hier hatte unsere Branche lange die Nase vorn, bevor die staatliche Regulierung nachzog. Nicht zu vergessen die monatliche Veröffentlichung von sehr detailreichen Marktstatistiken, die europaweit ihresgleichen suchen. Hinzu kommt ein vielfältiges Informationsangebot des Verbandes und seiner Mitglieder in Form von Broschüren und Büchern, aber auch als Videos und Podcasts auf der Webseite und in den sozialen Medien.

marktEINBLICKE: Was war Ihr größter Erfolg in Ihrer Zeit beim DDV?

Dr. Knüppel: Der DDV ist inzwischen eine starke Stimme im politischen Berlin. Wir sind als kompetenter und verlässlicher Ansprechpartner anerkannt. So gelang es uns auch, den extrem umfangreichen Regulierungsrahmen für Zertifikate so mitzugestalten, dass der mündige Anleger bei seinen Investitionen nicht übermäßig eingeschränkt wurde und dass die Ziele der Regulierer, mit denen wir meist grundsätzlich übereinstimmten, auf einem praxisgerechten und weniger kostspieligen Weg verwirklicht werden konnten. Bei der politischen Interessenvertretung geht es aber häufig nicht nur darum, bestimmte positive Maßnahmen durchzusetzen, sondern kostspielige oder unsinnige Vorhaben zu verhindern. Und so zählt zu den wichtigen Erfolgen sicherlich all das, was wir mit Blick auf Produktinterventionen und Produktverbote verhindern konnten. Ich will hier nur die Bonitätsabhängigen Schuldverschreibungen und Inline-Optionsscheine nennen. Ein Highlight war sicherlich auch der Fairness Kodex – die Selbstverpflichtung der Zertifikatebranche zur Produkt- und Kostentransparenz und zu einem fairen Umgang mit dem Anleger -, der neue Maßstäbe gesetzt hat.

marktEINBLICKE: Der DDV feierte Anfang 2018 sein zehnjähriges Jubiläum. Wie sehen die kommenden zehn Jahre für den Verband und den deutschen Zertifikatemarkt aus?

Dr. Knüppel: Zertifikate sind eine verhältnismäßig junge Assetklasse. Startpunkt war ein Index-Zertifikat auf den DAX, den die Dresdner Bank im Jahre 1990 emittierte. Inzwischen haben sich die strukturierten Wertpapiere als Anlagealternative in Deutschland etabliert. Mit mehr als 1,8 Millionen Anlagezertifikaten und Hebelprodukten steht den Anlegern heute ein riesiges Produktuniversum zur Verfügung. Wie weit sich das derzeitige Marktvolumen von gut 70 Mrd. Euro weiter erhöht, hängt ganz entscheidend von dem ökonomischen und politischen Umfeld ab. So gehört die Förderung der Wertpapierkultur in Deutschland endlich auf die politische Tagesordnung. Es geht generell darum, dass die Deutschen mehr Wertpapiere kaufen, seien es Aktien, Anleihen, Fonds oder gerne auch Zertifikate.

Da nicht abzusehen ist, dass die Regulierungswellen, die immer wieder über die Finanzindustrie und die Zertifikatebranche hereinbrechen, abebben, geht dem Verband auch in Zukunft sicherlich nicht die Arbeit aus. Dabei wird sich die Regulierung immer mehr auf die europäische Ebene, insbesondere auch auf die europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA, verlagern. Deshalb verstärken wir auch unsere Zusammenarbeit mit anderen europäischen Verbänden strukturierter Wertpapiere, wobei hier dem DDV eine zentrale Rolle zukommt.

marktEINBLICKE: Angesichts der Probleme im deutschen Rentensystem sollte die private Altersvorsorge an Bedeutung gewinnen. Wertpapiere sind ein wichtiger Bestandteil der privaten Altersvorsorge. Was ist zu tun, um die Wertpapierkultur in Deutschland zu fördern?

Dr. Knüppel: Hier sind zuallererst die politischen Entscheider und die Regulierer gefordert. Die Anlageberatung ist mittlerweile dermaßen überfrachtet mit Vorschriften, dass sowohl den Privatanlegern als auch den Banken der Spaß an der Wertpapieranlage zu vergehen droht. Da muss die Politik dringend nachbessern. Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Wertpapiere müssen anlegerfreundlicher gestaltet werden. In jedem Falle kontraproduktiv wäre eine Einführung der Finanztransaktionsteuer und die Abschaffung der Abgeltungsteuer. Dies wären weitere Sargnägel für die deutsche Wertpapierkultur.

Generell ist aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft notwendig. Wir müssen wieder ein vernünftiges und nicht angstbesetztes Verhältnis zum Risiko entwickeln. Es darf nicht heißen: Sicherheit um jeden Preis. Derzeit werden selbst kleinste Risiken von gutmeinenden Politikern, Regulierern und Anlegerschützern verteufelt. Gute Renditen lassen sich aber nur mit überschaubaren Risiken erreichen.

Dr. Hartmut Knüppel (65) verbindet in seinem beruflichen Werdegang Wirtschaft und Politik. Der promovierte Wirtschaftsingenieur war Mitbegründer der politischen Jugendorganisation „Junge Liberale“ und persönlicher Referent von Hans-Dietrich Genscher. Nach Stationen als Industrie-Pressesprecher und als Institutsleiter einer politischen Stiftung arbeitete er viele Jahre als Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Später war er für die Dresdner Bank tätig, zunächst als Pressechef in Frankfurt und dann als Leiter Public Affairs in Berlin. Seit März 2008 ist er Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV). Im Jahr 2019 scheidet er aus diesem Amt aus.

Bild: DDV