FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 23. Mai 2018. Mit dem rasanten Ölpreisanstieg in den vergangenen Wochen haben auch die Aktien der meisten Ölkonzerne kräftig zugelegt. Analysten rechnen mit weiteren Kursgewinnen.

Der Ölpreis ist seit Februar um fast ein Drittel gestiegen und hat mit zwischenzeitlich über 80 US-Dollar für ein Barrel der Nordseesorte Brent den höchsten Stand seit Ende 2014 erreicht, am Mittwochmorgen sind es 79,05 US-Dollar.

Auslöser für den jüngsten Schub waren die nach den Wahlen in Venezuela nochmals verschärften Sanktionen gegen das südamerikanische Land. Zuvor hatte die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran für höhere Notierungen gesorgt. "Die Angst ist groß, dass kurzfristig ein Teil des iranischen Rohöls wegfallen könnte", kommentiert Dora Borbély von der DekaBank.

Branchenindex auf Vierjahreshoch

Während Ökonomen bereits negative Auswirkungen auf die Konjunktur und einen deutlichen Anstieg der Inflation befürchten, steht ein Gewinner schon fest: die Ölbranche. So ist der europäische Branchenindex Stoxx Europe Oil & Gas, der die Kursentwicklung von Ölkonzernen wie BP, Royal Dutch Shell, ENI, OMV und vielen Ölausrüstern abbildet, seit Februar von 296 auf 360 Punkte gestiegen - ein Vierjahreshoch. Schon vor dem jüngsten Ölpreisanstieg hatten sich die Konzerne fit gemacht für eine Welt mit niedrigen Ölpreisnotierungen, die überraschend hohen Preise fungieren nun als zusätzliche Kurstreiber.

Analysten mögen Royal Dutch Shell

Zu den großen Profiteuren gehört Royal Dutch Shell (WKN A0D94M). Der Kurs des britisch-niederländischen Konzerns war mit dem Ölpreisverfall Anfang 2016 auf unter 18 Euro gefallen, noch im März dieses Jahres waren es 25 Euro, jetzt sind es 30,54 Euro.

Das Geschäft läuft wieder: Ende April hatte Royal Dutch Shell für das erste Quartal ein Gewinnplus von 42 Prozent auf 5,32 Milliarden US-Dollar und einen Umsatzanstieg auf 89,24 Milliarden bekannt gegeben. "Die Prognosen für das Gesamtjahr sind sehr gut, außerdem soll die durch die Übernahme der BG Group hohe Verschuldung nun deutlich sinken", berichtet Walter Vorhauser von Oddo Seydler. Analysten sind sich einig: Die Aktie ist ein Kauf. So raten zum Beispiel UBS, Barclays, JP Morgan, Morgan Stanley, Credit Suisse und die Deutsche Bank zum Einstieg.

Auch viele Kaufempfehlungen für BP

Ebenfalls deutlich zugelegt hat BP (WKN 850517), die Aktie kostet an der Börse Frankfurt aktuell rund 6,60 Euro, Ende März waren es noch 5,30 Euro. "Der Kurs ist geradezu explodiert", kommentiert Roland Stadler von der Baader Bank. Auch BP überzeugte mit Quartalszahlen: Der bereinigte Gewinn in den ersten drei Monaten stieg auf 2,59 Milliarden US-Dollar, mehr als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Auch hier dominieren die Kaufempfehlungen, so raten JP Morgan, Barclays, UBS, Deutsche Bank und Goldman Sachs zum Einstieg, nur Morgan Stanley setzt die Aktie nur auf "Halten".

Exxon Mobil vor dem Anstieg?

Nicht ganz die Erwartungen erfüllen könnte unterdessen Exxon Mobil, die Quartalsergebnisse blieben hinter den Prognosen zurück. Die Aktie (WKN 852549) hat erst zuletzt wieder etwas zulegen können und kostet an der Börse Frankfurt aktuell knapp 70 Euro, Ende März waren es noch unter 60 Euro. Der US-Konzern steigerte seinen Nettogewinn im ersten Quartal von 4,1 auf 4,65 Milliarden US-Dollar, der Umsatz erhöhte sich von 58,7 auf 68,2 Milliarden Dollar. "Es war aber mehr erwartet worden", stellt Vorhauser fest. Außerdem sei die Produktion im Berichtszeitraum um 6 Prozent gesunken. "Der Kurs springt gerade wieder an", meint der Händler. "Das geht jetzt wieder Richtung Allzeithoch."

Bei Exxon Mobil fällt das Votum der Analysten nicht ganz so gut aus: So rät HSBC zum Einstieg, UBS, Credit Suisse, Goldman Sachs und JP Morgan stufen den Titel hingegen nur auf "Neutral".

Auch Eni profitiert

Auch eher durchwachsen fällt das Urteil der Analysten in Bezug auf Eni aus, den italienischen Öl- und Energiekonzern. Die Aktie (WKN 897791) hat wegen der Sorgen bezüglich der Regierungsbildung in Italien zuletzt etwas gelitten, dennoch bleibt ein Anstieg von 13,40 Euro Anfang März auf knapp 16 Euro. "Auch Eni profitiert vom höheren Ölpreis", stellt Stadler fest. Der bereinigte Nettogewinn stieg im ersten Quartal um 31,5 Prozent auf 978 Millionen Euro, allerdings war noch mehr erwartet worden.

Bei Eni raten Deutsche Bank, UBS, HSBC, Oddo Seydler und Goldman Sachs zum Kauf, während JP Morgan und Morgan Stanley das Untergewichten empfehlen.

Kein billiges Öl in Sicht

Nach Ansicht der Commerzbank wird der Ölpreis nicht so schnell wieder fallen. Die Produktion in Venezuela könne wegen der US-Sanktionen gegen den staatlichen Ölkonzern PDVSA noch weiter zurückgehen, heißt es. "Die Knappheit am globalen Ölmarkt könnte sich also verstärken", erklärt Analystin Barbara Lambrecht. Anders als vielfach erwartet, könnten die US-Fracking-Unternehmen auch nicht so schnell einspringen. "Im Raffineriezentrum der USA an der Golfküste besteht das Problem, dass das Schieferöl wegen Pipeline-Engpässen nur schwer an die Golfküste gelangt."

Die DekaBank sieht das ähnlich: "Die Nachfrage nach Rohöl geht nicht zuletzt wegen des Großverbrauchers China stetig nach oben", stellt Dora Borbély fest. Zwar steige die Rohölförderung in den USA kräftig, doch dafür sinke die venezolanische Produktion in fast gleichem Ausmaß. "Die OPEC hat durchaus noch freie Kapazitäten, ob jedoch Saudi-Arabien tatsächlich willens ist, die Produktion schnell wieder auszuweiten, ist alles andere als sicher."

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von: Anna-Maria Borse

23. Mai 2018, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)