Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Rivian bekommt bei seinem Deal mit Volkswagen das, was das US-Unternehmen am dringendsten braucht: Cash. Was VW im Gegenzug erhält, ist weniger eindeutig. Beide Autohersteller gaben am späten Dienstag eine Zusammenarbeit bekannt, die darauf abzielt, ihre unterschiedlichen Stärken zu vereinen, um ihre jeweiligen Schwächen zu beheben in einer Branche, die mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen auf den Kopf gestellt ist.

Rivian hat finanzielle und operative Probleme: Das Unternehmen verkauft zwar gut bewertete Elektrofahrzeuge, verliert aber immer noch Geld bei der Produktion und steckt deshalb in einer tiefen Krise. Volkswagen als Meister der Massenproduktion erwirtschaftet dagegen riesige operative Cashflows - der Analystenkonsens liegt bei rund 38 Milliarden Dollar in diesem Jahr. Der DAX-Konzern hat aber dafür das Problem mit komplexer Software, die für die Entwicklung von hochmodernen Elektrofahrzeugen erforderlich ist, noch immer nicht im Griff.

Wenn man die starken Fähigkeiten kombiniert, sollte sich eine Win-Win-Situation ergeben -soweit zumindest die Theorie. In der Realität wird der Erfolg aber zum Teil davon abhängen, wie gut beide Seiten in ihrem Joint Venture zusammenarbeiten, das von keinem Partner kontrolliert wird.

Im Fall von Volkswagen stellt sich überdies die entscheidende Frage nach der Kapitaleffizienz, die die Aktie schon lange belastet. Das Unternehmen könnte am Ende 5 Milliarden Dollar in Rivian und das Joint Venture stecken. Zusammen mit den milliardenschweren internen Investitionen wachsen damit die Komplexität und die Kosten des Konzerns, dessen Struktur eigentlich dringend vereinfacht werden muss.

Das Joint Venture soll von zwei Co-CEOs beider Seiten geführt werden und sich auf die elektronische Architektur von E-Autos konzentrieren. Es geht um das System, das die Fahrzeugelektronik letztlich steuert. Wenn man es richtig macht, werden E-Fahrzeuge damit auch "intelligent". Eine solche Technologie ist für Autohersteller "alter Schule" schwieriger zu bewältigen als der bloße Austausch von Benzinmotoren durch Batterien und Motoren. Hier ist eine andere Konstruktion erforderlich.


    Rivian-Deal folgt Partnerschaft mit Xpeng in China 

VW-Elektrofahrzeuge wie der ID.4 werden in China etwa für ihre Hardware gelobt, aber für ihr Infotainment-System kritisiert. Im vergangenen Jahr investierte der deutsche Autokonzern deshalb bereits in den chinesischen E-Autohersteller Xpeng, um Zugang zu dessen Software für den lokalen Markt zu erhalten. Der Rivian-Deal jetzt folgt einem ähnlichen Muster.

VW wird zunächst 1 Milliarde Dollar in Form einer Wandelanleihe an Rivian geben, weitere 2 Milliarden Dollar folgen im nächsten Jahr und 2026. Darüber stecken die Wolfsburger noch in diesem Jahr 1 Milliarde Dollar in das Joint Venture und bekommen so unter anderem Zugang zur elektrischen Architektur von Rivian. Eine weitere Milliarde Dollar an das Joint Venture könnte 2026 folgen.

Während die Rivian-Aktie am Mittwoch um 35 Prozent stieg, verlor das Papier von VW gegen den Markttrend mehr als 2 Prozent und zwar trotz eines Buchgewinns von rund 50 Prozent auf die Hälfte seiner ursprünglichen Rivian-Investition. Anleger sind vorsichtig: Sie haben sich schon einmal die Finger verbrannt, weil Volkswagen dazu neigt, Probleme mit Geld zu lösen.

VW investiert einen viel größeren Teil seiner Cashflows als seine Konkurrenten. Der Rivian-Deal zwang das Unternehmen dazu, seine Prognose für den Free Cashflow aus dem Automobilgeschäft nach Akquisitionen auf nur noch 3,5 Milliarden Euro im Mittelwert zu senken. General Motors erwartet im Mittelwert einen Cashflow von 9,5 Milliarden Dollar, obwohl das Unternehmen nur zwei Drittel so viele Fahrzeuge verkauft wie VW.

Wenn aus den Partnerschaften mit Rivian in den USA und Xpeng in China erstklassige Fahrzeuge hervorgehen, wird dies am Ende ein Gewinn für Volkswagen sein. Damit dies jedoch auch ein Gewinn für seine Aktionäre wird, muss das deutsche Unternehmen seine Software-Investitionen im Inland begrenzen, damit Doppelarbeit und Verschwendung gebannt sind. Für ein Unternehmen mit einem großen staatlichen Anteilseigner und einer dominanten Gewerkschaft könnte das der schwierigere Teil sein.

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June 26, 2024 10:41 ET (14:41 GMT)