(neu: Aussagen aus der HV, Aktienkurs.)

BOCHUM (dpa-AFX) - Fünf Jahre nach dem Antritt von Konzernchef Heinrich Hiesinger hat der Essener Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp mit neuen Sorgen zu kämpfen. Gebremst wird das Unternehmen von einem Einbruch der Stahlpreise und zunehmenden Unsicherheiten um die Weltkonjunktur. Der Vorstandschef setzte am Freitag bei der Hauptversammlung in Bochum ein dickes Fragezeichen hinter die ohnehin schon vorsichtige Prognose für das laufende Geschäftsjahr.

Das erste Quartal von Oktober bis Ende Dezember sei von einem "erheblich" verschlechterten Umfeld im Stahlgeschäft geprägt gewesen. Um die eigenen Ziele zu erreichen, müssten sich die Märkte in der zweiten Geschäftsjahreshälfte deutlich verbessern. Die Industriegeschäfte seien im ersten Quartal "solide" gelaufen. Die genauen Zahlen will der Konzern in zwei Wochen vorlegen. An der Börse sackten die Thyssenkrupp-Aktien bis zum frühen Nachmittag um mehr als zwei Prozent ab und waren damit Schlusslicht im Dax .

KAPITALAUSSTATTUNG WEITER SCHWACH

Thyssenkrupp rechnet bislang in diesem Jahr auf vergleichbarer Basis - also etwa um Wechselkurseffekte bereinigt - mit einem stagnierenden Umsatz. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) soll bei 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro landen. Einen wichtigen Beitrag von 850 Millionen Euro zum Gewinn sollen weitere Einsparungen liefern. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern operativ 1,7 Milliarden Euro bei einem Umsatz von 42,8 Milliarden Euro verdient. Unter dem Strich wuchs der Überschuss um fast 50 Prozent auf 309 Millionen Euro.

Davon will das Unternehmen fast 85 Millionen an die Aktionäre ausschütten. Die Dividende pro Aktie steigt von 11 auf 15 Cent. Die Ausschüttung sei mittelfristig nicht zufriedenstellend, räumte Hiesinger ein. Der Vorschlag berücksichtige aber die "bilanziellen Erfordernisse". Thyssenkrupp ist weiter mit 3,4 Milliarden Euro verschuldet und verfügt über eine für einen Industriekonzern dünne Eigenkapitalquote von 9,3 Prozent.

DISKUSSION ÜBER DIVIDENDE

Vor diesem Hintergrund war die vorgeschlagene Erhöhung der Dividende umstritten. Während Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment dem Management vorwarf, die Ausschüttung aus der Substanz des Unternehmens zahlen zu wollen, kritisierten andere Sprecher die Zahlung als "schottische Magermilch-Dividende". Neben Speich hatte zuvor auch ein Vertreter des Großaktionärs Cevian angekündigt, dies ablehnen zu wollen.

"Was unsere Leistungskraft betrifft, sind wir noch lange nicht am Ziel", sagte Hiesinger. Der Trend stimme jedoch. Dabei wolle der Konzern an seiner Struktur festhalten. Neben der traditionellen Stahlsparte verfüge man mit Geschäftsfeldern wie dem Anlagenbau, den Automobilkomponenten und der Aufzugsparte über starke Standbeine.

HIESINGER VERTEIDIGT KURS

Dadurch könnten auch Wachstumschancen besser genutzt werden. Derzeit müsse der Konzern vor allem beim Stahl jedoch mit zunehmenden Unsicherheiten kämpfen. "Die Lage in der europäischen Stahlindustrie ist in der Tat besorgniserregend", meinte Hiesinger. In den vergangenen Jahren hatte sich Thyssenkrupp unter der Regie des Managers aus einer existenzbedrohenden Krise gekämpft. Nun kündigte Hiesinger an, den Umbau des Unternehmens weiter vorantreiben zu wollen./enl/uta/she/jha/