Von Rochelle Toplensky

DEN HAAG/LONDON (Dow Jones)--Royal Dutch Shell verzichtet auf seine niederländische Krone, um in England eine freiere bürgerliche Existenz zu führen. Das ist eine gute Nachricht für Anleger, obwohl es besser gewesen wäre, wenn das Unternehmen gesprungen wäre, bevor es geschubst wurde. Der Energieriese teilte am Montag mit, dass er seine duale britische und niederländische Struktur in einer einzigen britischen Einheit konsolidieren will. Das Unternehmen wird seine Bezeichnung "Royal Dutch" verlieren und als Shell PLC firmieren. Der Schritt wird dem Unternehmen helfen, Rückkäufe zu beschleunigen und Portfolioänderungen vorzunehmen, während die Energiewende an Fahrt gewinnt.

Unberührt davon steht ein niederländisches Gerichtsurteil nach wie vor im Raum. Dieses verpflichtet das Unternehmen zur Senkung seiner Emissionen. Mit dem Verlassen der Niederlande könnte Shell jedoch danach trachten, möglichen weiteren Fällen dieser Art zu entrinnen. Die Unternehmensleitung sagt zwar, dass der Schritt die 2005 begonnene strukturelle Vereinfachung abschließt. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der zunehmende Druck des aktivistischen US-Hedgefonds Third Point eine Rolle gespielt hat.

Die Umstrukturierung erinnert an eine andere Reaktion nach ähnlichem Muster: Das jüngste Versprechen des Unternehmens, seine gesamten Treibhausgasemissionen zu senken, kam ausgerechnet wenige Wochen, nachdem ein niederländisches Gericht das Unternehmen dazu aufgefordert hatte. In diesem Fall argumentierte die Unternehmensleitung, dass das Urteil eher formal zu verstehen sei, weil es lediglich die ohnehin bestehenden Pläne von Shell wiedergebe. Ungeachtet aller Vorbehalte gegen die Art und Weise, wie es zur Entscheidung von Shell kam, ist die Vereinfachung der Aktienstruktur sinnvoll. Die Flexibilität beim Rückkauf ist dabei besonders wichtig. Der Kauf von Aktien ist seit der Dividendenkürzung im Jahr 2020 ein wichtiger Bestandteil der Ausschüttungsstrategie von Shell, und das Unternehmen wird bald sieben Milliarden US-Dollar aus dem Verkauf seiner Permian-Assets zu verteilen haben.


   Shell wird wendiger 

Mit der neuen Unternehmensstruktur wird die Anzahl der Aktien, die das Unternehmen auf einmal zurückkaufen kann, deutlich erhöht. In der Vergangenheit wurden B-Aktien zurückgekauft, weil der Kauf von Shells A-Aktien in den Niederlanden mit einer Quellensteuer von 17 Prozent belegt wurde. Nachdem 16 Jahre lang vergeblich versucht wurde, einen Kompromiss mit Den Haag zu finden, ist das Shell-Management nun bereit, in den Niederlanden das Handtuch zu werfen. Abgesehen von den Rückkäufen könnte eine beweglichere britische Shell schneller und einfacher weitere strukturelle Anpassungen vornehmen, um ein kohlenstoffärmeres Energieunternehmen zu werden. So wären beispielsweise Kapitalemissionen, Fusionen auf Aktienbasis und die Ausgliederung von Vermögenswerten, wie sie Third Point vorgeschlagen hat, mit einer einzigen Aktiengattung viel einfacher zu bewerkstelligen.

Bevor es jedoch dazu kommt, muss Shell seinen Umzug nach Großbritannien abschließen. Mit seinen Plänen umgeht Shell einige der Stolperfallen, mit denen der Konsumgüterriese Unilever bei einer ähnlichen Umstellung Erfahrung machen musste. Shell wird sicherstellen, dass seine Anleger nicht gezwungen sind, Aktien zu verkaufen, da das Unternehmen voraussichtlich sowohl im Londoner FTSE 100 als auch im Amsterdamer AEX-Index vertreten sein wird. Niederländische Politiker haben Unilever mit einer Ausstiegssteuer in Höhe von elf Milliarden Euro gedroht. Bei dem entsprechenden Gesetzesvorschlag handelt es sich aber nur um einen Entwurf. Juristen halten es für sehr wahrscheinlich, dass Shell und auch Unilever am Ende nicht zahlen müssen.

Der Schritt von Shell schraubt die Erwartungen der Anleger in die Höhe: Die Aktien stiegen in London und Amsterdam im frühen Handel um 1,5 Prozent. Mit ziemlicher Sicherheit wird die Energiewende noch turbulent. Riskant ist sie ohnehin. Eine einfachere Unternehmensstruktur wird Shell dabei helfen, schnellere Antworten auf diese Herausforderungen zu geben. Doch nun muss das Unternehmen auch von sich aus die Konsequenzen ziehen - idealerweise ohne einen weiteren Anstoß von Klimaschützern oder aktivistischen Investoren.

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November 16, 2021 03:18 ET (08:18 GMT)