KÖLN (dpa-AFX) - Der Karneval feiert sein Comeback: In den Hochburgen des närrischen Frohsinns hat der Straßenkarneval begonnen - erstmals wieder ohne Corona-Auflagen. In Köln ließ das Dreigestirn aus Prinz, Bauer und Jungfrau am Donnerstag die "Jecken" los. In Düsseldorf nahmen die "Möhnen" den Bürgermeister gefangen. In Bonn griffen die Waschweiber an. Diese Tradition geht auf eine frühe Frauenbewegung zurück: Die Beueler Wäscherinnen wehrten sich im 19. Jahrhundert gegen das Patriarchat, die Dominanz der Männer und die damit verbundene Ausbeutung der Frauen.

Vor allem in Köln wurden viele Zehntausende Feiernde von auswärts erwartet. Die Polizei war dort mit mehr als 2000 Beamtem im Einsatz. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte an, dass die Polizei gegen Belästigungen und Übergriffe konsequent vorgehen werde: "Jeder sollte wissen, wann es genug Kölsch gewesen sind."

Reul sagte, es sei dieses Jahr sicher ein besonderer Karneval: Krieg, Inflation und Geldsorgen würden viele Menschen belasten. "Umso wichtiger finde ich, dass es diese Tage gibt, an denen man mal für einige Stunden abschalten und die Sorgen beiseitelegen kann", sagte Reul dem "Stadt-Anzeiger". Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker rief zu großzügiger Hilfe für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien auf. "Stehen wir zusammen - über Grenzen hinweg!", appellierte die parteilose Politikerin.

In Köln hatte es am 11.11. zu Beginn der neuen Karnevalssession bereits einen Riesenansturm gegeben. Diesmal hatte die Stadt unter anderem 550 Mobiltoiletten, 140 Urinale, 20 Urinalrinnen und elf Toilettenwagen aufgestellt. Ordnungsamtschefin Athene Hammerich drohte: "Wildes Urinieren wird der Ordnungsdienst konsequent ahnden."

Auch in Rheinland-Pfalz übernahmen die Narren in vielen Städten das Kommando. Schlipse würden aber kaum noch abgeschnitten, sagte die Vorsitzende des Möhnen-Clubs inin Mülheim-Kärlich nördlich von Koblenz, Kornelia Punstein: "Dieser Brauch geht leider verloren. Welcher Mann trägt heute noch Schlips?"

In Baden-Württemberg begann die schwäbisch-alemannische Fastnacht. In Konstanz zogen am frühen Morgen die "Blätzlebuebe" durch die Gassen, um die Anwohner zu wecken. In vielen Gemeinden wurden Schüler aus dem Unterricht befreit und Rathäuser gestürmt. Die Bürgermeister mussten symbolisch ihre Schlüssel herausrücken - bis Aschermittwoch haben die Narren das Sagen. Am Abend sollte sich in Stockach im Kreis Konstanz der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki vor dem "Narrengericht" verantworten.

Die ursprüngliche Bedeutung des Karnevals aus dem Mittelalter besteht darin, die Welt für einige Tage auf den Kopf zu stellen und die Rollen zu tauschen: Nonnen durften sich danebenbenehmen, Knechte ihre Herren ausschimpfen. Große Teile Deutschlands erwiesen sich jedoch als nicht karnevalisierbar - und das ist so geblieben: Umfragen zeigen immer wieder, dass das närrische Treiben die Mehrheit der Menschen kalt lässt./cd/DP/jha