Berlin (Reuters) - In die Debatte um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine kommt Bewegung: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte am Sonntag im französischen Fernsehen, Deutschland würde den Export von Leopard-Panzern von Drittstaaten an die Ukraine nicht blockieren.

"Im Moment ist die Frage noch nicht gestellt worden, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen", sagte die Grünen-Politikerin dem TV-Sender LCI. Sie war gefragt worden, was geschehe, wenn Polen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern würde. Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollten sich dagegen beim deutsch-französischen Ministerrat nicht festlegen, ob Deutschland und Frankreich Kampfpanzer an die Ukraine liefern.

Lettland, Estland und Litauen riefen Deutschland am Wochenende dazu auf, rasch deutsche Leopard-Kampfpanzer für die Ukraine freizugeben. Dem schloß sich auch die britische Regierung an. Der Druck zur Lieferung solcher Panzer hielt damit auch nach neuen milliardenschweren Hilfen westlicher Staaten für die Ukraine an. In Berlin machten sich die Ampel-Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP gegenseitig Vorwürfe. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte in der ARD, Deutschland sei bei der Frage möglicher Leopard-Lieferungen nicht isoliert. Das Meinungsbild bei dem reffen der militärischen Partner am Freitag sei nicht so einheitlich gewesen wie teilweise dargestellt.

FORDERUNGEN IN USA NACH ABRAMS-LIEFERUNG

In den USA drängten US-Politiker die eigene Regierung, Kampfpanzer des Typs M1 Abrams an die Ukraine zu liefern. Der Senator Chris Coons von den Demokraten sagt ABC, sollte es erforderlich sein, einige Abrams zu schicken, um die Leopards aus Deutschland, Polen oder von anderen Verbündeten zu beschaffen, würde er das unterstützen. Er respektiere zwar, dass die US-Militärführung meine, Abrams hätten den gleichen Nutzen wie der Leopard, seien aber anspruchsvoller und teurer. Die USA müssten aber weiter mit ihren engen Verbündeten zusammenarbeiten und im Gleichschritt vorwärts gehen. Schon ein einziger Abrams würde ausreichen, um etwa Deutschland dazu zu bewegen, ebenfalls Kampfpanzer zu schicken, sagt der Republikaner Michael McCaul.

Hintergrund ist, dass Scholz auch in Paris betonte, man wolle auf jeden Fall im Gleichklang mit den USA die nächsten Schritte gehen. "So wie wir in der Vergangenheit vorgegangen sind, immer eng abgestimmt mit unseren Freunden und Verbündeten, immer eng die Lage besprechend, so werden wir auch in der Zukunft vorgehen", sagte er mit Blick auf Mehrfachraketenwerfer und Schützenpanzer. Auch Macron wollte sich nicht festlegen. Man schaue sich alle Schritte gemeinsam an und entscheide, sagte er. Was der Ukraine dann geliefert werde, hänge auch mit der Ausbildung der ukrainischen Soldaten und der Fähigkeit zusammen, Waffen vor Ort nutzen zu können. Zudem dürfe Frankreich die eigene Verteidigungsfähigkeit nicht gefährden, sagte er auf die Frage, ob Frankreich Leclerc-Kampfpanzer liefern werde.

Am Freitag hatten die westlichen Verbündeten der Ukraine umfangreiche Waffenlieferungen beschlossen. Allerdings konnte nicht geklärt werden, ob und welche Länder Kampfpanzer liefern. Polen hatte 14 Panzer angeboten, will sie aber nur in einer Allianz mit anderen liefern. Einige EU-Staaten wie Spanien sind skeptisch. "Wir, die Außenminister Estlands, Lettlands und Litauens, fordern Deutschland auf, der Ukraine jetzt Leopard-Panzer zur Verfügung zu stellen", twitterte der estnische Außenminister Urmas Reinsalu am Wochenende. Das sei notwendig, um die russische Aggression zu stoppen, der Ukraine zu helfen und den Frieden in Europa schnell wiederherzustellen. Deutschland als führende europäische Macht habe dabei eine besondere Verantwortung. Auch Großbritannien forderte die Lieferung von Leopard-Panzern. Die Briten haben die Lieferung von 14 Challenger-Kampfpanzern angeboten.

Der Vorsitzende des russischen Unterhauses, Wjatscheslaw Wolodin, warnte dagegen davor, der Ukraine neue schwere Waffen zu geben. "Die Lieferung von Offensivwaffen an das Regime in Kiew wird zu einer globalen Katastrophe führen", erklärte der Duma-Sprecher und enge Vertraute von Präsident Wladimir Putin. Es drohe ein schrecklicher Krieg. Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 in das Nachbarland einmarschiert.

"ANSICHTEN VON GESTERN"

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann warf SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vor, er sei das "Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik". Seine Ansichten von gestern führten in die Probleme von morgen. Mützenich sei nicht mehr in der Lage, sein Weltbild der Realität anzupassen. Dieser hatte zuvor erklärt, Strack-Zimmermann und andere würden Deutschland mit "Schnappatmung" in einen Krieg hineinreden.

Hintergrund ist die andauernde Kritik von Grünen- und FDP-Politikern am Koalitionspartner SPD und vor allem Scholz, dass Waffenlieferungen an die Ukraine zu lange dauerten. "Ich glaube, dass eine Entscheidung, die lange auf sich hat warten lassen, eine Beschleunigung braucht", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour der ARD. "Wer nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg verliert, muss zügig handeln", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Rheinischen Post". SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies die Kritik am Kanzler dagegen zurück. "Maßlose Kritik und persönliche Anfeindungen drohen den politischen Diskurs über unsere Ukraine-Hilfen immer weiter von den Tatsachen abgleiten zu lassen", sagte er der Zeitung.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz warf Scholz in der ARD vor, dieser habe mit seiner Rede in Paris eine Chance verpasst, zu den Panzerlieferungen an die Ukraine einen konkreten deutsch-französischen Vorschlag für die nächsten Tage zu machen. Scholz erkläre seine Position viel zu wenig, was auch in Frankreich auf viel Unverständnis stoße.

(Mitarbeit: Christian Krämer und Raphael Satter; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Andreas Rinke und Leigh Thomas