- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Die Allianz kommt bisher ohne größere Blessuren durch die Corona-Krise und steuert in diesem Jahr auf einen operativen Gewinn von mehr als zehn Milliarden Euro zu.

Im dritten Quartal kamen nur noch 100 Millionen Euro zusätzliche Belastungen durch die Virus-Pandemie hinzu, die den Versicherungskonzern insgesamt 1,3 Milliarden Euro gekostet hat. Mit einem operativen Quartalsgewinn von 2,9 (3,0) Milliarden Euro kehrte der deutsche Marktführer - für Experten überraschend - fast zur Normalität zurück. Mehr als die Folgen der zweiten Corona-Welle für das Geschäft fürchtet Finanzvorstand Giulio Terzariol die Schwankungen an den Märkten infolge der Pandemie und der Hängepartie um die Präsidentenwahl in den USA. "Bisher waren die Kapitalmärkte sehr cool, aber wir können im Dezember mehr Volatilität sehen." Die Allianz-Aktie legte gegen den Markttrend leicht zu.

"Wir können in normalen Zeiten operativ drei Milliarden Euro verdienen, aber das ist kein normales Jahr", sagte Terzariol mit Blick auf das vierte Quartal. Aber auf 300 Millionen Euro mehr oder weniger komme es nicht an. Analysten trauten der Allianz schon vor der positiven Überraschung vom Freitag gut zehn Milliarden Euro zu. Das wären knapp zwei Milliarden weniger als im vergangenen Jahr, vor der Krise. Nach neun Monaten steht der Versicherer bei 7,8 (9,1) Milliarden Euro, ein Minus von 15 Prozent. Damit fehlt ihm zum Vorjahresniveau genau jene Summe, die er für die Corona-Pandemie zurückgestellt hat.

Der Konzern habe seine Widerstandsfähigkeit bewiesen, sagte Vorstandschef Oliver Bäte. "Deshalb sind wir zuversichtlich, die Covid-19-Krise gut zu bewältigen und gleichzeitig eine noch stärkere Allianz aufzubauen."

DIE ZWEITE WELLE WIRD KLEINER

Die Allianz werde die zweite Welle spüren, aber nicht mehr so stark wie die erste, sagte Terzariol. Zum einen habe sie - etwa für ausgefallene Großveranstaltungen im Herbst - bereits Vorsorge getroffen, zum anderen seien die Beschränkungen nicht so hart wie im Frühjahr. Ärger machen der Allianz vor allem die staatlich erzwungenen Betriebsschließungen von Restaurants, Hotels und Geschäften zum Schutz vor Ansteckungen, die sie in der Regel nicht von ihren Policen gedeckt sieht. 130 Klagen von Kunden - teilweise in Millionenhöhe - sind allein in Deutschland anhängig, einige Verfahren hat der Versicherer bereits verloren. Durch die Kündigung von Verträgen reduziert die Allianz jetzt ihr Risiko.

In der Lebensversicherung macht sich die Pandemie vor allem in den Kapitalanlagen bemerkbar, nicht aber in den Auszahlungen für Todesfälle. "Die Mortalität ist nicht so hoch bei Corona", sagte Terzariol. Zudem seien überwiegend Menschen betroffen, die wegen ihres Alters keine Risiko-Lebensversicherung hätten.

Die Aktionäre sollen unter dem erwarteten Gewinnrückgang nicht leiden. Die Dividende soll mit 9,60 Euro stabil bleiben, wie Terzariol bekräftigte. Zwar orientiert sich die Ausschüttung am Nettogewinn, der nach neun Monaten 18 Prozent unter Vorjahr liegt. Doch greife dann das Versprechen, die Dividende nicht zu senken, betonte der Finanzchef. Nur beim Aktienrückkauf macht die Allianz Konzessionen an die EU-Aufseher, die von der Branche in der Corona-Krise Zurückhaltung bei Ausschüttungen verlangen. Der 750 Millionen Euro schwere Rückkauf wurde deshalb endgültig gestoppt - auch wenn sich die Allianz ihn dank einer stabilen Kapitalausstattung leisten könnte, wie Terzariol sagte.

Im laufenden Geschäft bekommt die Allianz die Pandemie vor allem bei Reiseversicherungen, der Kreditversicherungs-Tochter Euler Hermes und in der Lebensversicherung zu spüren. Der Wert des Neugeschäfts von Leben- und Kranken-Policen ging im dritten Quartal um ein Viertel zurück, die Beiträge bei Allianz Partners brachen angesichts des lahmenden Reiseverkehrs um mehr als ein Drittel ein. Der Konzernumsatz schrumpfte um sechs Prozent auf 31,4 Milliarden Euro. Dafür war aber auch die Großkunden-Sparte AGCS verantwortlich, die die Preise kräftig erhöhte und damit Kundenverluste hinnahm. Sie schreibe jetzt operativ wenigstens keine roten Zahlen mehr, zeigte sich Terzariol zufrieden.