BERLIN (dpa-AFX) - Die Folgen der Coronavirus-Krise werden auch im Sport immer dramatischer. Fußball-Bundesliga, Formel 1, Champions League oder Traditionsveranstaltungen wie der Giro d'Italia bekommen die volle Wucht der Wirklichkeit zu spüren. Die Verschiebung der Fußball-Europameisterschaft in das kommende Jahr scheint unausweichlich. Nur das IOC mit dem deutschen Präsidenten Thomas Bach an der Spitze hält noch an seinem Hochglanz-Produkt Olympische Spiele in Tokio im Sommer fest.

Bis wenige Stunden vor dem geplanten Anpfiff des Freitagspiels in Düsseldorf beharrte auch die Bundesliga auf ihrem Vorhaben, als einzige der Top-Ligen Europas an diesem Wochenende noch Spiele zuzulassen - und wurde dafür teilweise heftig kritisiert. "Fußballer werden in dieser Situation behandelt wie Affen im Zirkus", schrieb Torwart Rafal Gikiewicz von Union Berlin am Freitag bei Twitter.

Am Donnerstagabend hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bevölkerung wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus zu drastischen Einschnitten aufgefordert und damit indirekt auch die Fußball-Verantwortlichen noch stärker in die Pflicht genommen.

Um 16.13 Uhr am Freitag verschickte die Deutsche Fußball Liga dann ihr Schreiben mit der Überschrift "Nach aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Corona-Virus" und stellte den Spielbetrieb in der Bundesliga und der 2. Liga vorerst ein. Ähnlich hatten zuvor die Premier League nach zwei prominenten Coronavirus-Infektionen und die Ligen in Italien, Spanien oder Frankreich gehandelt.

Das Zögern der DFL hatte auch finanzielle Gründe, wie Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit Verweis auf den TV-Vertrag verriet. Es stehe eine hohe Zahlung der Fernsehpartner aus. "Wenn diese Zahlung ausbleiben würde, wäre zu erwarten, dass zumindest viele kleine und mittlere Vereine finanzielle Probleme kriegen würden." Details nannte Rummenigge nicht, sagte aber: "Ein größerer dreistelliger Millionenbetrag steht im Feuer."

Um sehr viel Geld geht es auch im Motorsport und beim Internationalen Olympischen Komitee. Die Formel 1 zog bereits weitreichende Konsequenzen. Nach einer nächtlichen Krisensitzung infolge des ersten Positivtests im Fahrerlager bei einem McLaren-Mitarbeiter und dem Rückzug des englischen Traditionsteams rang sich die Formel-1-Führung zur Absage des Auftaktrennens in Australien durch. Mit stundenlangem Schweigen handelten sich die Bosse Kritik an ihrem Krisenmanagement ein und stehen bei der Kalender-Architektur vor einem Rätsel.

Die nächsten Rennen in Bahrain und Vietnam wurden auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Auch der Grand Prix in China wird nicht am 19. April stattfinden. Die Rennserie soll nun erst Ende Mai ihre Saison starten. "Wir haben Pläne, die Saison wieder aufzubauen, und wir versuchen, so viele der verlorenen Rennen wie wir nur können unterzubringen", sagte Formel-1-Sportchef Ross Brawn in Melbourne.

Die Europäische Fußball-Union setzte am Freitag den Spielbetrieb in der Champions League und in der Europa League wegen der Verbreitung von Covid-19 vorerst aus. Die Bayern werden also nächste Woche nicht zu ihrem Achtelfinal-Rückspiel in der Königsklasse gegen den FC Chelsea antreten, dessen Stürmer Callum Hudson-Odoi zudem auch noch positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Die für den 20. März angesetzte Europapokal-Auslosung wurde ebenfalls verschoben.

Massiv in Zweifel steht nach den Entscheidungen zu den europäischen Vereinswettbewerben eine planmäßige Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft (12. Juni bis 12. Juli). Bei der UEFA ist für den kommenden Dienstag eine Krisensitzung per Videokonferenz mit allen 55 Mitgliedsverbänden geplant. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gilt die Verschiebung des paneuropäischen Turniers in den Sommer 2021 inzwischen als erste Option.

Die US-Basketball-Profiliga NBA, die Tennis-Organisatoren, die Handball-Bundesliga - alle machen Pause und setzen vorerst aus. Auch die 103. Auflage des Giro d'Italia der Radprofis wird in diesem Jahr nicht wie geplant stattfinden, nachdem schon Frühjahrsklassiker wie Mailand-Sanremo oder Gent-Wevelgem abgesagt worden waren.

Das ursprünglich für April geplante Olympia-Qualifikationsturnier der deutschen Handballer in Berlin wurde in den Juni verlegt. Ob Tischtennis, Judo oder der gesamte Amateurfußball in Deutschland - fast alle Sportarten stellen ihren Betrieb erst einmal ein.

Nur in Japan und beim IOC geben sich die Verantwortlichen unbeirrt. Japans Ministerpräsident Shinzo Abe konterte den Vorschlag von US-Präsident Donald Trump zu einer Verlegung der Olympischen Spiele. Trotz der Coronavirus-Pandemie seien die Vorbereitungen für die Sommerspiele in Japans Hauptstadt weiter im Plan, sagte Abe einem Sprecher zufolge Trump in einem Telefonat am Freitag. Trump hatte zuvor in einer Medienrunde im Weißen Haus zu den Olympischen Spielen gesagt: "Vielleicht, aber das ist nur meine Meinung, verschieben sie sie um ein Jahr. Vielleicht ist das auch nicht möglich."

Die Sommerspiele sollen vom 24. Juli bis zum 9. August stattfinden. "Wir arbeiten mit vollem Engagement auf den Erfolg dieser Spiele mit der Eröffnungsfeier am 24. Juli hin und tun alles dafür, damit sich auch die Athleten entsprechend vorbereiten können", hatte IOC-Präsident Thomas Bach der ARD am Donnerstag gesagt./wom/DP/nas