--HVPI-Teuerung fällt von 5,7 auf 5,1 (Prognose: 4,4) Prozent

--Normalisierung Mehrwertsteuer Anfang 2021 fällt aus Jahresvergleich heraus

--Inflation im Euroraum dürfte ebenfalls höher als erwartet gewesen sein

(NEU: Kommentare von Bankvolkswirten)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Serie unerwartet kräftiger Verbraucherpreisanstiege in Deutschland hat sich zu Jahresbeginn 2022 fortgesetzt, was eine ähnliche Entwicklung für den gesamten Euroraum erwarten lässt. Laut Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis) stieg der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) im Januar gegenüber dem Vormonat um 0,9 Prozent und lag um 5,1 (Dezember: 5,7) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten eine Preisstagnation auf Monatssicht und eine Jahresteuerung von nur 4,4 Prozent prognostiziert.

Die für die Europäische Zentralbank (EZB) relevanten Euroraum-Daten werden am Mittwoch um 11.00 Uhr veröffentlicht. Hier erwarteten die befragten Analysten bisher einen Inflationsrückgang auf 4,3 (5,0) Prozent. Angesichts des unerwartet hohen Inflationsdrucks in Deutschland und auch Spanien - hier sank die HVPI-Inflationsrate von 6,6 auf nur 6,1 (Prognose: 5,) Prozent - dürfte aber auch die Euro-Inflation höher als erwartet ausfallen.


   ING: Straffung der Geldpolitik würde wenig bringen 

Bankvolkswirte nehmen trotzdem überwiegend an, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bei seinen Beratungen am Mittwoch und Donnerstag keinen schärferen geldpolitischen Straffungskurs einschlagen wird. ING-Europa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski schrieb in einem Kommentar: "Eine Straffung der Geldpolitik würde wenig dazu beitragen, Container schneller von Asien nach Europa zu transportieren oder die Energiepreise zu senken. Was die EZB allerdings in Erwägung ziehen könnte, wäre ein beschleunigtes Ende ihrer Nettowertpapierkäufe.

KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib sah Aufwärtsrisiken für die Inflationsentwicklung im Euroraum, die neben anhaltenden Angebotsengpässe, steigenden Energiepreisen, geopolitischen Spannungen mit Russland und der strikten "No-Covid-Politik" der chinesischen Regierung auch den Arbeitsmarkt umfassen, "wenn sich fortgesetzt hohe Inflationsraten in höheren Tarifabschlüssen niederschlagen" sollten.


   KfW: EZB reagiert bei Zweitrundeneffekten vom Arbeitsmarkt 

"In diesem Fall rechne ich mit einer früher als aktuell kommunizierten Reaktion der Geldpolitik, etwa einer vollständigen Einstellung ihrer Ankaufprogramme bereits zum Jahresende", schrieb sie.

Nur der Chefvolkswirt der liechtensteinischen VP Bank, Thomas Gitzel, war der Meinung, dass der Rückgang der Inflationsraten in Deutschland und Spanien ein "Labsal" für die EZB sei. "Zwar fällt der Teuerungsrückgang etwas geringer aus als Volkswirte erwartet hatten, doch immerhin stimmt die Richtung - letzteres ist entscheidend", schrieb er. Christine Lagarde dürfe guter Dinge sein, weil sich die These eines nur temporären Inflationsanstieges bewahrheitet habe.

"Vermutlich sehen wir deshalb am Donnerstag in der EZB-Pressekonferenz eine gut gelaunte Notenbank-Präsidentin", prognostizierte er. Gitzel rechnet damit, dass der von Februar bis Oktober 2021 beobachtete Ölpreisanstieg die Inflationsrate in den nächsten Monaten weiter senken wird. "Allerdings dürfen hierfür die Ölpreise nicht weiter zulegen", merkte er an.

Die deutschen Verbraucherpreise nach nationaler Definition stiegen im Dezember auf Monatssicht um 0,4 Prozent und überstiegen das Niveau des Vorjahresmonats um 4,9 (5,3) Prozent. Erwartet worden waren ein monatlicher Preisrückgang von 0,2 Prozent und eine Jahresteuerung von 4,3 Prozent.


   Destatis: Preise weiter von Lieferengpässen getrieben 

"Obwohl die Basiseffekte aus dem Jahr 2021 durch die temporäre Mehrwertsteuersenkung und den Preisverfall der Mineralölprodukte im Jahr 2020 entfallen, bleibt die Inflationsrate hoch", konstatierten die Statistiker. Einen Einfluss hätten weiterhin krisenbedingte Effekte wie Lieferengpässe und deutliche Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen und bei den Energiepreisen.

Waren verteuerten sich mit einer Jahresrate von 7,2 (7,8) Prozent, wobei Energie 20,5 (18,3) Prozent mehr als im Januar 2021 kostete. Nahrungsmittel verteuerten sich um 5,0 (6,0) Prozent. Die Inflationsrate bei Dienstleistungen nahm auf 3,0 (3,1) Prozent ab, die von Wohnungsmieten verharrte bei 1,4 Prozent.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/mgo

(END) Dow Jones Newswires

January 31, 2022 09:52 ET (14:52 GMT)