Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz sieht einen Ringtausch von Taurus-Marschflugkörpern mit Großbritannien.

Es gebe dazu keinen neuen Stand, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Am Wochenende hatte Außenministerin Annalena Baerbock dies als eine "Option" bezeichnet. Anders als Kanzler Scholz gilt sie als Befürworterin einer direkten Lieferung der Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometer an die Ukraine. Am Montag setzten sich Politiker der Ampel-Parteien Grünen und FDP erneut für eine Lieferung von Taurus an die Ukraine oder einen Ringtausch ein.

Die Bundesregierung hatte bereits vor Monaten einen Ringtausch mit London ausgelotet, bei dem Taurus an den Nato-Partner gehen könnten, der dann wiederum mehr seine Storm-Shadow-Marschflugkörper an die Ukraine liefern würde. Dies war aber in Großbritannien auf Ablehnung gestoßen. Ein Grund war, dass die Zertifizierung der bisher von den britischen Streitkräften nicht eingesetzten Taurus sehr lange dauert. Zudem verfüge das Land nur noch über wenige Storm Shadow mit einer Reichweite von rund 250 Kilometern, die es abgeben könnte.

Den Anstoß für die jetzige Debatte hatte der britische Außenminister David Cameron gegeben, der die Möglichkeit eines Ringtausches angedeutet hatte. Regierungssprecher Hebestreit verwies am Montag darauf, dass eine solche Vereinbarung nicht über Interviews getroffen würde, sondern zwischen Regierungen vertraulich vereinbart werden müsste. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte auf die Frage nach Verhandlungen nur, dass Baerbock und Cameron über "die gesamte Bandbreite der deutsch-britischen Zusammenarbeit auch mit Blick auf die Ukraine" gesprochen hätten.

Hintergrund der Debatte auch in der Bundesregierung ist, dass Scholz laut Regierungssprecher weder "direkt oder indirekt eine Beteiligung deutscher Soldaten an diesem Konflikt akzeptieren möchte". Der Kanzler will angesichts der Reichweite des Marschflugkörpers bis Moskau eine deutsche Kontrolle behalten. Daher lehnt er eine Taurus-Lieferung an die Ukraine ab.

Die Ukraine brauche aber Marschflugkörper, um das ganze Land verteidigen zu können, mahnte Grünen-Co-Chef Omid Nouripour. Er verstehe die Sorgen vor einer Eskalation durch Taurus-Lieferungen, die die Grünen aber nicht teilten. Der von Großbritannien dazu vorgeschlagene Ringtausch sei "dringend zu prüfen", er könne die Sorgen aufnehmen. "Er kann eine Option sein, wie wir den Knoten auch durchschlagen können in diesen Tagen. (...) Deshalb gehe ich davon aus, dass die Prüfung kommen wird."

Die oppositionelle Union will am Donnerstag erneut einen Antrag für eine Lieferung von Taurus an die Ukraine im Bundestag einbringen. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki hatte angekündigt, dass es bei den Liberalen mehrere Politiker geben könnte, die für den Oppositionsantrag stimmen. "Ich appelliere auch an die Union, man muss aufpassen, dass man dieses wirklich ernste Thema, überlebenswichtig für die Ukrainerinnen und Ukrainer, nicht zur Posse verkommen (lässt), in dem man jede Woche etwas aufsetzt", sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie hatte bei der letzten Abstimmung als einzige Ampel-Politikerin mit der Opposition gestimmt. Nouripour sagte, die Grünen-Fraktion wolle den Unionsantrag ablehnen. "Das hilft nicht, was die Union da macht."

CDU-Chef Friedrich Merz sagte, ein Ringtausch könne "nur die zweitbeste Lösung sein". Im Vergleich zur direkten und von der Union unterstützten Lieferung von Taurus an die Ukraine sei dies keine "besonders ehrenhafte" Variante.

(Bericht von Andreas Rinke, Christian Krämer, Alexander Ratz; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)