- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Angesichts der Bauern-Großdemonstration in Berlin haben sich Politiker verschiedener Parteien dafür ausgesprochen, den Landwirten entgegenzukommen.

Die Bundesregierung werde ihre beschlossene schrittweise Kürzung der Subventionen für Agrar-Diesel aber nicht zurücknehmen, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag auf der zentralen Kundgebung der Landwirte am Brandenburger Tor. Zugleich zeigten sich Differenzen, wie die Koalition aus SPD, Grünen und FDP den Bauern trotzdem helfen wollen.

Die Polizei ging zunächst von knapp 10.000 Teilnehmern bei der Kundgebung in Berlin aus, an der neben Bauern auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung und Vertreter der Gastronomie-Branche teilnahmen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sprach von 30.000 Teilnehmern. Der Ex-CDU-Politiker ließ offen, ob die Bauern ihre Proteste fortsetzen werden. "Zuviel ist zuviel. Nehmen Sie die Vorschläge zurück", forderte er die Bundesregierung auf. Dann würden die Traktoren auch abziehen. FDP-Chef Lindner, der auf der Kundgebung ausgepfiffen wurde, betonte indes, die Regierung stehe zum schrittweisen Abbau der Agrar-Diesel-Subventionen.

Wie in der vergangenen Woche kam es wegen der Trecker-Kolonnen zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Vergangene Woche hatten Bauern auch Autobahnauffahrten gesperrt und teilweise selbst entschieden, wer durchgelassen wurde und wer nicht. Das Bundesinnenministerium wies am Montag darauf hin, dass Behörden der Länder vorgehen müssten, wenn Auflagen für Demonstrationen nicht eingehalten würden. Es seien Strafverfahren eingeleitet worden. Insgesamt hatten Umfragen aber eine große Unterstützung der Bevölkerung für die Bauern-Proteste ergeben. Es habe den Versuch von Extremisten gegeben, die Proteste zu unterwandern, was aber in den meisten Fällen nicht gelungen sei, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.

TIERWOHLABGABE, BÜROKRATIEABBAU, KAMPF GEGEN HANDEL

Politiker unterschiedlicher Parteien versprachen den Landwirten Hilfe an verschiedenen Punkten. Vertreter mehrerer landwirtschaftlicher Verbände trafen am Mittag zudem mit den Vorsitzenden der Ampel-Bundestagsfraktionen zusammen.

Lindner schlug ebenso wie FDP-Fraktionschef Christian Dürr einen Abbau bürokratischer Lasten vor. "Ich kann Ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfe versprechen aus dem Bundeshaushalt", sagte Lindner bei der Großkundgebung. Es könne aber mehr Freiheiten für Betriebe geben und weniger Bürokratie. Dafür lohne es gemeinsam zu werben. Es sei die richtige Zeit, über die hohen Umweltstandards für Landwirte zu sprechen. Denkbar sei auch, schwankende Gewinne von Betrieben besser bei der Einkommenssteuer zu berücksichtigen.

Dürr sprach sich in der ARD dafür aus, Bürokratielasten und Auflagen etwa beim Pflanzenschutz abzubauen sowie den Stopp für Flächenstilllegungen zu verlängern. Während Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) im Deutschlandfunk den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) unterstützte, eine Tierwohlabgabe auf Fleischverkäufe einzuführen, äußerte sich Dürr dazu reserviert.

Backhaus verteidigte die Bundesregierung für die Kürzung der Subventionen, forderte aber eine Streckung beim Agrar-Diesel und Hilfe beim Umstieg auf Biokraftstoffe. "Wir hatten ja mal einen Biodiesel-, Biogas- und einen Ethanol-Bereich", sagte er. Die Bundesregierung hatte beschlossen, den Steuervorteil auf Agrar-Diesel in vier Schritten bis 2026 abzubauen. Dies trifft landwirtschaftliche Betriebe je nach Größe und landwirtschaftlichen Produkten unterschiedlich.

Die Bundesregierung müsse zudem mit dem Kartellrecht gegen Handelsketten vorgehen, forderte Backhaus. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, es sei zu früh dafür, dass die Ampel-Regierung den Landwirten nun ein fertiges Entlastungs-Konzept vorlege. Auch der Kanzler habe aber gesagt, dass die Bauern ein ordentliches Einkommen haben müssten. "Diese Gespräche werden jetzt beginnen. Wo das dann perspektivisch hinführen kann, wird sich zeigen." Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums betonte, das Kartellamt habe ohnehin die Marktsituation im Handel im Blick. Über konkrete Prüfungen könne er aber nicht sagen.

Backhaus forderte höhere Preise für Agrarprodukte wie Milch, einen Bürokratieabbau sowie eine Begrenzung der Macht der Handelsketten durch das Kartellrecht. Es gebe vier Großkonzerne, die 85 Prozent der Bevölkerung versorgten. "Der Weizenpreis oder der Milchpreis ist um ein Drittel gefallen", sagte er mit Blick auf das Geld, das Erzeuger bekommen. "Und an der Ladentheke sind die Preise gestiegen. Wer steckt sich denn hier das Geld in die Tasche? Es ist doch vollkommen klar."

(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)