FRANKFURT (dpa-AFX) - Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr in eine Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank 2023 nach vorläufigen Daten zum Vorjahr preisbereinigt um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im Jahr 2022 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 1,8 Prozent gewachsen. Wie bewerten Ökonomen die Entwicklung? Und wie sind die Aussichten für das laufende Jahr? Stimmen im Überblick:

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:

"Ein großer Belastungsfaktor für die exportstarke deutsche Industrie war die schwache Auslandsnachfrage. (...) Darüber hinaus trugen die deutschen Konsumenten das Geld ins Ausland. (...) Der schwachen Auslandsnachfrage und den hohen Zinsen hatte Deutschland wiederum nichts entgegenzusetzen. Darin kommen die strukturellen Schwierigkeiten zum Ausdruck. (...) Da sich weder ein weltwirtschaftlicher konjunktureller Trendwechsel noch eine stärkere binnenwirtschaftliche Dynamik abzeichnet, dürfte die deutsche Volkswirtschaft auch im laufenden Jahr leiden."

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank:

"Stagnation im vergangenen Jahr und die Aussichten im laufenden Jahr für 2024 sind kaum besser. Die Wirtschaft wächst nicht mehr und die Investitionen in die Zukunft nehmen ab. Die Folge sind Verteilungskämpfe, wie wir sie gerade auf Deutschlands Straßen und Schienen erleben."

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank:

"Leider signalisieren die Frühindikatoren noch keine Wende zum Besseren. Das spricht für ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt auch im ersten Quartal. Für das gesamte Jahr 2024 erwarten wir weiter einen Rückgang um 0,3 Prozent. Bedenklich ist, dass die deutsche Wirtschaft seit dem Ausbruch von Corona in der Grundtendenz kaum gewachsen ist. Das ist selten und weckt Erinnerungen an die Jahre nach dem Platzen der Aktienmarktblase Anfang des Jahrtausends."

Ralf Umlauf, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen:

"Damit wird deutlich, dass wohl auch das vierte Quartal von schwachen Entwicklungen geprägt ist, wie bereits die Quartale zuvor. Insgesamt setzt sich die Erholung nach der Pandemie, die noch das Jahr 2022 dominiert hatte, nicht fort. Noch immer hohe Preissteigerungsraten und ungünstigere Finanzierungsbedingen haben das Wachstum gedämpft."

Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg:

"Das war letztlich etwas besser als gedacht. Ohne Kalendereffekt blieb es bei einem kleinen Minus. Das Schlussquartal war mit voraussichtlich -0,3 Prozent allerdings das schwächste Quartal des Jahres. Hier wird man die Detailrechnungen abwarten müssen, um mögliche Folgen für die Prognosen 2024 abzuleiten. Alles in allem war 2023 ein schwacher Konjunkturjahrgang. Für 2024 sieht es keineswegs besser aus. Deutschland ist derzeit in einer Stagnation gefangen."

Christoph Swonke, Analyst DZ Bank:

"Für die deutsche Wirtschaft war 2023 insgesamt ein sehr schwieriges Jahr. (...) Die hohe Inflation schmälerte die Kaufkraft der privaten Haushalte und die Industrie litt unter einer rückläufigen Nachfrage. Die energieintensiven Bereiche drosselten aufgrund des hohen Energiepreisniveaus die Produktion. Die hohen Zinsen und die gestiegenen Baupreise dämpften die Bauinvestitionen. (...) Im noch jungen Jahr 2024 dürfte die deutsche Wirtschaft ihre Schwäche nur schrittweise überwinden. Wir rechnen nur mit einer zaghaften wirtschaftlichen Verbesserung."

/bgf/lfi/mis