Mangelndes Vertrauen in digitale Strategie der Banken
München/Zürich (ots) - Aufgrund von Divergenzen zwischen langfristiger Vision 
und kurzfristiger Leistung befindet sich die Finanzdienstleistungsbranche auf 
Kollisionskurs. Das zeigen die Ergebnisse des diesjährigen State of Financial 
Services Report der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman.

Finanzdienstleister versuchen das Unternehmen der Zukunft aufzubauen. Ihre 
mangelnden Fortschritte schüren jedoch die Skepsis der Anleger wie der State of 
Financial Services Report von Oliver Wyman zeigt. Gerade einmal 25 Prozent der 
Anleger ist laut Report zuversichtlich, dass die Digitalisierungsstrategien der 
Unternehmen von Erfolg gekrönt sein werden. Weniger als 1 Prozent der Befragten 
ist der Ansicht, dass die Pläne klar formuliert und glaubwürdig sind.

"Die Notwendigkeit zu investieren und sich zukunftsfähig aufzustellen, ist da. 
Das Zeitfenster für die Umsetzung wird jedoch immer enger", sagt Tobias Würgler,
Leiter der Financial Services Practice von Oliver Wyman in der Schweiz. "Obwohl 
in einigen Bereichen ein Durchbruch erzielt wurde, ist unter dem Strich bislang 
noch keine positive Wirkung erkennbar."

Kluft zwischen Anlegern und Unternehmen

Dem Report zufolge investieren Finanzdienstleistungsunternehmen im Jahr 
durchschnittlich fünf Prozent ihres Umsatzes in den Wandel. Die Anleger können 
nach eigenem Bekunden jedoch nicht nachvollziehen, in was die Unternehmen genau 
investieren und aus welchen Gründen. Was der Wandel beinhaltet oder wohin die 
Reise letztlich gehen soll, erschliesst sich ihnen nicht. Es fehlt den Anlegern 
an aussagekräftigen Kennzahlen zur Beurteilung der Fortschritte. Ausserdem haben
sie Zweifel am Kosten-Nutzen-Verhältnis hoher Investitionen in neue 
Technologien.

Die Divergenz zwischen ambitionierten teuren Transformationsprogrammen und dem 
daraus resultierenden wirtschaftlichen Nutzen macht es für Anleger schwer 
nachzuvollziehen, was Investitionen in digitale Lösungen tatsächlich bewirken. 
98 Prozent der europäischen Banken erwähnten das Wort "digital" in ihrer 
externen Kommunikation, in den Research-Berichten der Analysten wurde der 
Begriff indes nur bei 27 Prozent der Banken genannt.

Die Zeit drängt

Diese Entfremdung fällt zusammen mit einem Auseinanderdriften zwischen 
wachstumsstarken BigTechs bzw. FinTechs und dem Finanzdienstleistungssektor. 
Seit 2010 befindet sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei FinTech-Unternehmen
kontinuierlich im Aufwind, sodass die Werte inzwischen mindestens dem Doppelten 
des KGV von Finanzdienstleistern entsprechen. Bei Banken ist das KGV von 14 auf 
11 gesunken, bei Versicherungstiteln wird die Lücke noch grösser. An reifen 
Märkten hat das niedrige Zinsniveau bereits zu zyklisch bedingten 
Umsatzrückgängen geführt, die weitreichendere Folgen haben als jede digitale 
Störung. Nach Schätzungen von Oliver Wyman sind 75 Prozent des Wertverfalls im 
europäischen Bankensektor auf makroökonomische Faktoren und die Regulierung 
zurückzuführen und lediglich 25 Prozent auf FinTechs und neue Wettbewerber am 
Markt.

Vor dem Hintergrund geringen Umsatzwachstums und zunehmend schlechter 
makroökonomischer Rahmenbedingungen besteht angesichts des wachsenden 
Wettbewerbsdrucks aus Richtung von FinTechs und Technologieunternehmen nach wie 
vor eine dringende Notwendigkeit, in Transformation zu investieren. Das Tempo, 
mit dem neue Finanzdienstleistungslösungen auf den Markt gebracht werden, nimmt 
zu. Entsprechend wächst auch die Bedrohung durch Technologieunternehmen eher, 
als dass sie nachlässt.

Ein weiterer Abschwung könnte schwerwiegende Auswirkungen auf die zur Verfügung 
stehenden Investitionsmittel haben. Die grossen Rezessionen und Finanzkrisen der
letzten 30 Jahre sind bei Banken jedes Mal mit Umsatzverlusten innerhalb eines 
Jahres zwischen 10 und 50 Prozent einhergegangen, was weit über den 5 Prozent 
liegt, die durchschnittlich für Transformationsprogramme ausgegeben werden.

Wenn Vision und wirtschaftlicher Nutzen aufeinandertreffen

In der Finanzdienstleistungsbranche wird der Konflikt zwischen den beiden 
gegenläufigen Ansätzen Vision und wirtschaftlicher Nutzen immer ausgeprägter. 
Einige Unternehmen setzen verstärkt auf ihren visionären Ansatz und haben enorme
Summen in Innovation und Transformationsprogramme investiert. Was die 
Gewinnseite anbelangt, bleiben die Ergebnisse jedoch in vielen Fällen hinter den
Erwartungen zurück. Unternehmen mit schwerpunktmässiger Ausrichtung auf den 
wirtschaftlichen Nutzen haben unzählige kleine Veränderungen vorgenommen, die 
zwar für Aufmerksamkeit gesorgt, jedoch häufig kaum Wirkung gezeigt haben.

Um auf kurze und lange Sicht erfolgreich zu sein, werden Unternehmen auf eine 
Kombination aus Vision und wirtschaftlichen Nutzen setzen müssen. Zum 
gegenwärtigen Zeitpunkt haben die Unternehmen damit zu kämpfen, Investitionen in
die Bereiche mit strategischer Priorität zu lenken. Stattdessen fliessen noch 
immer fast 50 Prozent der für die Transformation vorgesehenen Mittel in die 
Einhaltung obligatorischer regulatorischer Anforderungen. Der allzu lockere 
Führungsansatz bei der Umsetzung digitaler Programme wird nicht lange Bestand 
haben. An seine Stelle wird ein disziplinierterer, interventionistischer Ansatz 
treten.

Nach Ansicht von Oliver Wyman sind fünf Aspekte entscheidend, um Vision und 
wirtschaftlichen Nutzen in Einklang zu bringen:

   1) Unternehmen müssen ein hohes Mass an Disziplin wahren und 
      dürfen sich nicht dazu hinreissen lassen, in 
      Copycat-Technologien zu investieren, die für manche, aber eben 
      nicht für alle Unternehmen funktionieren
   2) Sie müssen sich auf eine kleinere Anzahl an Initiativen mit 
      guter Mittelausstattung konzentrieren
   3) Es muss Klarheit bezüglich der von einem Investment in neue 
      Technologie zu erwartenden Produktivitätssteigerungen herrschen
   4) Die Tools zur Bewertung und Steuerung von Veränderungen müssen 
      besser werden
   5) Die externe Kommunikation muss verbessert werden, damit Anleger
      leichter nachvollziehen können, welche Faktoren die Entwicklung
      beeinflussen, und die Möglichkeit bekommen, die Fortschritte 
      langfristiger Veränderungen zu verfolgen.

"Für den Erfolg eines Unternehmens wird die richtige Mischung aus Vision und 
wirtschaftlichem Nutzen entscheidend sein, doch viele Unternehmen werden hieran 
scheitern", lautet das Fazit von Robert Buess, Bankenexperte und Partner bei 
Oliver Wyman in der Schweiz. "Jedes Unternehmen muss für sich das richtige 
bestimmen und sich auf eine Strategie für die Zukunft festlegen - und das 
möglichst unbeeindruckt von der wachsenden Bedrohung durch BigTechs, der Gefahr 
einer Rezession und der zunehmenden Ungeduld der Anleger."

Pressekontakt:

Davina Zenz-Spitzweg
Communications Manager DACH
Oliver Wyman GmbH
davina.zenz-spitzweg@oliverwyman.com

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OTS:               Oliver Wyman