Studie: Chinesische Investitionen in Europa erreichen neues
Rekordniveau - Debatte über Risiken
   Berlin (ots) - Chinesische Auslandsinvestitionen haben 2016 erneut
ein Rekordniveau erreicht. Das Investitionsvolumen stieg weltweit auf
etwa 200 Milliarden US-Dollar (180 Mrd. Euro), dies entspricht einem 
Zuwachs von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Europäische Union 
gehört weiterhin zu den beliebtesten Investitionsstandorten, 
angeführt von Deutschland. Rund 35 Mrd. Euro - ein Plus von 77 
Prozent - flossen im vergangenen Jahr in europäische Länder, davon 
über 11 Mrd. Euro nach Deutschland. Dies ist das Ergebnis einer 
Studie des Mercator Insituts für China-Studien (MERICS) und der 
Rhodium Group.

   Technologie und moderne Fertigungsanlagen im Fokus chinesischer 
Investitionen

   Chinesische Investoren stehen in Zeiten verlangsamten Wachstums in
ihrem Land unter Druck: Sie wollen eigene Technologien, Marken und 
strategische Vermögenswerte entwickeln. Ziel ist, weltweit zu 
diversifizieren und im eigenen Land neue Märkte zu erschließen. Dies 
spiegelt sich auch im Investitionsverhalten: In Europa zeigten 
chinesische Investoren im vergangenen Jahr besonderes Interesse an 
Hochtechnologie, insbesondere im Fertigungsbereich, an Energie- und 
Versorgungsunternehmen. Auch in Bereiche wie Versorgung, Transport 
und Infrastruktur, Internet- und Kommunikationstechnologie sowie 
Unterhaltung flossen verstärkt Investitionen. 

   Zu den größten Investitionen zählten die Übernahmen des finnischen
Online Gaming Anbieters Supercell (6,7 Mrd. Euro) und des deutschen 
Roboterherstellers Kuka durch das chinesische Privatunternehmen Midea
(4,4 Mrd. Euro). Ein großes Volumen hatten auch die Übernahmen der 
irischen Flugzeug-Leasing-Firma Avolon durch die Unternehmensgruppe 
HNA aus Hainan (2,3 Mrd. Euro), des niedersächsischen 
Müllverbrennungsspezialisten EEW Energy durch die Holding Beijing 
Enterprises (1,4 Mrd. Euro), der britischen Online-Reiseplattform 
Skyscanner durch Ctrip (1,6 Mrd. Euro), die Investition der Shandong 
Ruyi Technology in die französische Modefirma SMCP Group (1,3 Mrd. 
Euro) sowie die Übernahme der britischen Odeon & UCI Cinema Group 
durch Wanda AMC (1,1 Mrd. Euro). Investitionen in Immobilien sanken 
dagegen deutlich im Vergleich zum Vorjahr. Auffällig war zudem, dass 
2016 deutlich mehr Privatunternehmen in Europa investierten (74 
gegenüber 30 Prozent 2015).

   Investitionen konzentrieren sich auf Deutschland und 
Großbritannien

   Nach einer Phase von Großinvestitionen in Südeuropa konzentrierten
sich chinesische Unternehmen 2016 wieder stärker auf die großen 
europäischen Volkswirtschaften, insbesondere Deutschland und 
Großbritannien. Mehr als zwei Drittel aller Investitionen flossen in 
diese beiden Länder. Deutschland war mit über 11 Mrd. Euro Zielland 
Nummer Eins innerhalb Europas, mehr als 31 Prozent aller chinesischen
Investitionen in Europa wurden hierzulande getätigt. Großbritannien 
blieb auch nach der Brexit-Entscheidung auf Platz zwei.

   Europäische Investitionen in China weiter rückläufig

   Im Gegensatz zu den wachsenden Investitionen chinesischer 
Unternehmen in Europa sind europäische Unternehmen in China 
zurückhaltender. 2016 sanken europäische Investitionen in China das 
vierte Jahr in Folge, auf ca. 8 Mrd. Euro. Diese Entwicklung hat 
mehrere Ursachen: Das sinkende Wachstum in China, rückläufige 
Gewinnmargen und weiterhin bestehende Hürden für ausländische 
Investoren.

   Politische Debatte in Europa wird kritischer gegenüber 
chinesischen Investitionen

   Die Zunahme chinesischer Übernahmen von 
Hochtechnologieunternehmen, insbesondere im Bereich Produktion und 
Maschinenbau, löst in Europa auch Sorge aus: Die Beteiligung des 
chinesischen Staats an diesen Deals wird ebenso debattiert wie die 
langfristigen Risiken, die mit einem Ausverkauf von Kerntechnologien 
an China einhergehen könnten. Eine Reihe von kontroversen Aufkäufen 
und Übernahmeversuchen in Deutschland standen dabei im Zentrum. 
Insbesondere die Übernahme von Kuka durch Midea befeuerte 
Befürchtungen über einen Ausverkauf deutscher Technologien. Das 
chinesische Angebot für den Chiphersteller Aixtron wiederum rückte 
die Fallstricke einer staatlichen chinesischen Beteiligung an solchen
Übernahmen ins Zentrum. Die Bundesregierung setzte 2016 deutliche 
Zeichen, indem sie gleiche Bedingungen für deutsche Unternehmen in 
China einforderte, chinesische Investitionen stärker überprüfte, wenn
sie eine Bedrohung nationaler Sicherheitsinteressen befürchtete, und 
die zunächst erteilte Zustimmung zur Übernahme von Aixtron wieder 
rückgängig machte. (Letztlich wurde die Übernahme gestoppt, weil die 
US-Regierung den Verkauf des amerikanischen Anteils am Unternehmen 
blockiert hatte.)

   Ausblick auf 2017

   Die Autoren der Studie, Thilo Hanemann und Mikko Huotari, warnen 
davor, die Wachstumszahlen chinesischer Investitionen im vergangenen 
Jahr auch in die Zukunft zu projizieren. Stattdessen könnte der 
chinesische Expansionskurs schon bald deutlich an Fahrt verlieren. 
Zum einen wegen der Versuche der chinesischen Regierung, den 
Kapitalabfluss ins Ausland stärker zu kontrollieren, zum anderen 
wegen der wachsenden Befürchtungen europäischer Länder vor einem 
Ausverkauf von Kerntechnologien an China.

   Die Autoren argumentieren, die Zuwächse bei den chinesischen 
Auslandsinvestitionen seien 2016 so dramatisch gewesen, dass die 
chinesische Führung nun auf die Bremse tritt und das Tempo des 
Kapitalabflusses zu drosseln versucht. Angesichts des verlangsamten 
Wirtschaftswachstums im Inland, Risiken im Finanzsystem und des 
Abwertungsdrucks auf die chinesische Währung hat Beijing bereits 
damit begonnen, Auslandsinvestitionen stärker zu überprüfen und gegen
unerwünschte Transaktionen vorzugehen.

   Wie Europa künftig auf Investitionen aus China reagiert, hängt aus
Sicht der Autoren in erster Linie von Chinas Reformfortschritten ab. 
Nur wenn China die Rolle des freien Wettbewerbs stärke und gleiche 
Bedingungen für ausländische Unternehmen schaffe, werde man in Europa
chinesische Investitionen als für alle Seiten gewinnbringend ansehen 
können. Ein Durchbruch in den Verhandlungen über ein bilaterales 
Handelsabkommen könnte ebenfalls ein wichtiges Signal senden. Wenn 
China dagegen weiterhin mit fehlendem Reformwillen nach innen und 
außen enttäusche, sei eine wachsende Abwehrhaltung gegenüber 
chinesischen Investitionen in Europa unvermeidbar.

   Download: https://www.merics.org/cofdi-update2017

   Link zum Podcast-Interview mit Studienautor Mikko Huotari: 
https://www.merics.org/de/merics-analysen/merics-podcast/

OTS:              Mercator Institute for China Studies
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