Börsen-Zeitung: Extremismus der Mitte / Kommentar von Andreas Hippin
zum "Plan-B" für den Brexit
   Frankfurt (ots) - Zu den Grundlagen der Demokratie gehörte bis vor
kurzem noch, Mehrheitsentscheidungen mitzutragen, auch wenn man 
selbst dagegen war. Man erkannte eine Regierung auch dann an, wenn 
man selbst nicht für sie gestimmt hat.  Nach dem britischen 
Volksentscheid für den EU-Austritt und der Wahl Donald Trumps in den 
USA wurde dieser Konsens von einem Teil der Wahlverlierer 
aufgekündigt. Sie sind bis heute nicht bereit, sich mit 
ihrer Niederlage abzufinden. Der politische Stillstand 
in Großbritannien geht darauf zurück, dass sich die tiefe Spaltung 
des Landes in Brexiteers und Remainer sowohl durch die großen 
politischen Parteien als auch durch Theresa Mays Kabinett zieht.

   Wer ernsthaft erwartet hatte, die Premierministerin könnte nach 
drei Sitzungstagen einen Plan B aus der Tasche ziehen, nachdem das 
Unterhaus den in ihrem Namen ausgehandelten 585-seitigen 
EU-Austrittsvertrag mit überwältigender Mehrheit niedergestimmt hat, 
wurde gestern enttäuscht. Das kleine Häuflein britischer 
Unterhausabgeordneter unterschiedlicher Parteizugehörigkeit um den 
ehemaligen Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, das sie zu diesem  
Auftritt gezwungen hat, verfolgte damit aber ganz andere Ziele. Ihnen
geht es darum,  mit Hilfe von juristischen Mitteln und allerlei 
Geschäftsordnungstricks den immer näher rückenden Austritt um jeden 
Preis zu verhindern. Eine Mehrheit der Abgeordneten war schließlich 
für den Verbleib in der EU. Und jede noch so dürftige Vorlage der 
Regierung ermöglicht Amendments, durch die das Parlament May die 
Richtung vorgeben kann.

   Es ist der Extremismus der Mitte, der sich in diesem Handeln 
Ausdruck verschafft. Obwohl beim EU-Referendum 1,27 Millionen 
Menschen mehr für den Austritt als für den Verbleib stimmten, gibt es
für manche der Verlierer bis heute keinen Kompromiss. Dabei verfügen 
sie über ein erstaunliches Sendungsbewusstsein.  Die mehr als 17 
Millionen Menschen, die für den Brexit votiert hatten, werden von 
ihnen wahlweise als vertrottelte Provinzler dargestellt, die nicht 
wussten, wofür sie ihre Stimmen abgaben, als verkalkte Oldtimer, die 
der Jugend keine strahlende Zukunft in Europa gönnen wollen, oder 
gleich als verkappte Ausländerfeinde.

   Würde das Parlament der Regierung die Kontrolle über 
den Austrittsprozess entreißen, brächte das nicht mehr Demokratie. Es
würde nur die Gräben vertiefen. Und weil  sich die Remainer auf 
nichts einigen können, stünde Ende März ein ganz und gar ungeregelter
Exit an.

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