BERLIN (Dow Jones)--Industriekunden müssen infolge zunehmender Investitionen in die Leitungsinfrastruktur höhere Netzentgelte für Strom und Gas entrichten. So muss ein mittelständischer Industriekunde 2021 beim Strom nun 2,64 Cent pro Kilowattstunde zahlen, nach 2,62 Cent, wie aus dem Jahresbericht der Bundesnetzagentur hervorgeht. In einigen Verteilnetzen gebe es noch deutlich stärkere Kostensteigerungen, etwa weil die Systeme für die Energiewende ausgebaut werden müssen.

Für Gewerbekunden bleibt der Kostenblock stabil, für einen Normalhaushalt steigt er leicht um 0,7 Prozent auf 7,65 Cent. Beim Gas steigen die Kosten für Haushalts- und Gewerbekunden im Durchschnitt um etwa 2,6 Prozent.

Industriekunden müssen sogar zwischen 2,2 bis 4,2 Prozent mehr Netzentgelte entrichten. Zum 1. Oktober erhöhen sich im Zuge der Zusammenlegung der bisherigen zwei Marktgebiete auch die Preise bei den Fernleitungsnetzbetreibern. Konkret werden die NCG und die Gaspool zum deutschlandweiten Trading Hub Europe fusioniert. Der Anstieg werde dann zwischen 1 Prozent und 14 Prozent liegen.


   Eigenkapital-Zins für Netzbetreiber soll sinken 

Auf die Betreiber der Strom- und Gasnetze wartet in diesem Jahr auch eine wegweisende Entscheidung zur Absenkung der Eigenkapital-Zinssätze. Diese würden "nicht so hoch sein wie bisher", erklärte der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Ziel sei es, einerseits für die Netzbetreiber eine angemessene Verzinsung zu erhalten, die auch attraktiv für Kapitalgeber sei. "Andererseits sorgen wir dafür, dass die Zinsen nicht auf einem Niveau sind, wo dem Verbraucher unnötig viel Geld entzogen wird."

Dazu soll im Juni ein Gutachten vorliegen, die Entscheidung der Behörde dann im Oktober fallen, so Homann. "Die Vorarbeiten laufen jetzt." Die Eigenzins-Entscheidung betrifft die vierte Regulierungsperiode und beginnt für den Gasbereich 2023, für den Stromsektor 2024. Die Netzbetreiber fürchten seit Monaten, dass sie durch sinkende Eigenkapital-Zinssätze deutlich weniger Mittel für Investitionen in den Netzausbau haben werden.


   Stromnetze erfordern bis 2030 bis zu 102 Milliarden Euro 

Homann zufolge ist der Netzausbau vor dem Hintergrund der Hürden dennoch "gut vorangekommen". Von den insgesamt 7.783 Kilometern der 65 laufenden Netzausbau-Projekte seien rund die Hälfte im letzten Genehmigungsschritt. 734 Kilometer seien genehmigt oder im Bau und rund 1.600 Kilometer Stromleitungen fertiggestellt. Auch bei den Stromautobahnen Südostlink und Südlink liege der Trassenverlauf fest. Insgesamt wird für Stromnetze an Land bis 2030 ein Investitionsbedarf von bis zu 102 Milliarden Euro geschätzt, 55 Milliarden Euro für das Übertragungsnetz und 47 Milliarden Euro für die Verteilernetze.

Mit Blick auf Wasserstoff verteidigte Homann die Entscheidung, den gasförmigen Energieträger noch nicht in eine allgemeine Netzentwicklungsplanung integriert zu haben. "Wir sind der Auffassung, es muss schnell gehen mit der Wasserstoffinfrastruktur." Die Behörde werde stattdessen "ad hoc in der Lage" sein, einen Antrag zur Umwidmung einer Erdgasleitung für Wasserstoff zu bearbeiten, so der Chef der Netzagentur. "Da sagen wir fest zu, sehr kurz zu entscheiden. ...Das bringt den Wasserstoffhochlauf schneller in Gang."

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DJG/pso/smh

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May 19, 2021 05:15 ET (09:15 GMT)