Von Angus Loten

NEW YORK (Dow Jones)--Unternehmen dürften in den nächsten Jahren deutlich mehr in Tools zur Datenverarbeitung investieren, die nicht mehr in einem Rechenzentrum stehen, sondern direkt bei den Maschinen in der Fabrik, an Mobilfunkmasten, in Systemen zur Bahnsteuerung oder an den Kassen im Handel installiert sind.

Das Ziel dieses so genannten Edge Computing ist es, die Leistung von Produktions- und Serviceanwendungen zu verbessern. Daten sollen dort verarbeitet werden, wo sie anfallen und blitzschnell angewendet werden. Laut Analysten resultiert das rasante Wachstum von Edge Computing in allen Branchen daraus, dass digitalisierte Funktionen und Prozesse riesige Datenmengen produzieren, die zunehmend in der Cloud gespeichert und verarbeitet werden.


   Daten werden etwa direkt am Fließband gebraucht 

Das Softwareunternehmen Red Hat - eine IBM-Tochtergesellschaft - hat vergangene Woche eine Edge-Computing-Plattform auf den Markt gebracht, die für den Betrieb mit mehreren Cloud-Diensten ausgelegt ist. "Bei so vielen Daten müssen wir sie näher an den Ort bringen, an dem sie gebraucht werden", gibt Red-Hat-Chef Paul Cormier die Richtung vor. "In einer Fabrikhalle kann man sich nicht immer die Zeit nehmen, all diese Daten nach unten zu schieben; man braucht sie direkt am Fließband, um sehr schnell Entscheidungen zu treffen."

Laut der jüngsten Prognose des Marktforschungsunternehmens International Data Corp (IDC) werden Unternehmen weltweit bis zum Jahr 2024 mehr als 240 Milliarden US-Dollar für Edge Computing ausgeben und dabei in Hardware, Software und Dienstleistungen investieren - mit einer jährlichen Wachstumsrate von mehr als 15 Prozent.


   Siemens und Bosch bei neuer Technologie als Vorreiter 

Über Big Data hinaus beschleunigt sich der Wettlauf um die Installation von Edge-Funktionen auch mit dem Wachstum des Internets der Dinge, einem Netzwerk aus verbundenen Anlagen und anderen Geräten, die etwa in der Fertigung oder im Einzelhandel eingesetzt werden.

Industriegiganten wie General Electric, Siemens und Bosch setzen Edge-Computing-Technologie ein, um Maschinen in Produktionslinien in Echtzeit zu optimieren. Edge-Systeme, die in der Regel auf Künstlicher Intelligenz beruhen, analysieren die Produktionsdaten direkt an der Quelle und nehmen fast augenblicklich winzige Anpassungen vor, zum Beispiel an der Stromstärke von Schweißrobotern oder der Kraft, die von einer Maschinenpresse ausgeübt wird.

Ebenso setzen Energieunternehmen Edge-Tools ein, um die Analyse an Öl- und Gasbohrungen zu verbessern, und Einzelhändler optimieren damit ihre Bezahl- und Abrechnungsdienste. "Wie die Cloud vor ihr, treibt Edge die nächste Innovationswelle an und ermöglicht es Unternehmen, Abläufe zu automatisieren, reichhaltige Kundenerfahrungen zu schaffen und neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen", so Dave McCarthy von IDC.


   Potenzielle Einnahmequellen für Amazon und Microsoft 

In McCarthys Augen bietet der Ausgabentrend ein fruchtbares Wachstumsfeld für Cloud-Service-Anbieter wie Amazons AWS, Microsofts Azure und Alphabets Google Cloud, die allesamt in den vergangenen Jahren Edge-Computing-Tools vorgestellt haben. "Indem sie ihre Cloud-Plattformen auf verteilte Edge-Standorte ausdehnen, können Cloud-Service-Provider eine breitere Palette von Anwendungsfällen adressieren, als es bisher möglich war."

Die französische Alstom SA, die unter anderem Signalanlagen für große nordamerikanische Bahnstrecken bereitstellt, plant nach eigenen Angaben, ihre Ausgaben für Edge-Computing im kommenden Jahr zu erhöhen. Das Unternehmen hat vor kurzem von Red Hat entwickelte Edge-Werkzeuge in Geräten entlang der Gleise, einschließlich Bahnübergängen, installiert.


   Geräte tauschen Daten in Echtzeit aus 

Neben anderen Funktionen tauschen die Geräte Echtzeitdaten aus, um Züge über streckenseitige Signale zu leiten. Außerdem machen sie Aussagen zum Wartungsbedarf von Gleisen, ohne dass die Daten an einen zentralen Server zurückgesendet werden müssen, so das Unternehmen. "Die zusammengefassten Informationen werden verwendet, um Betriebs- und Wartungsteams automatisch auf Zustände aufmerksam zu machen, die möglicherweise Aufmerksamkeit erfordern", sagt Alstom-Produktmanager Emilio Barcelos. Das Ziel der Edge-Strategie besteht darin, Sicherheit und Effizienz zu verbessern.

"Ungefähr die Hälfte unserer Kunden, die Edge-Lösungen einsetzen, tun dies aus wirtschaftlichen Gründen - Automatisierung, Kostenreduzierung, Effizienzsteigerung", erläutert Thomas Bittman vom Beratungsunternehmen Gartner. Die andere Hälfte wolle die Edge-Technologie für neue Umsatzmöglichkeiten nutzen.


   Fulminante Wachstumsraten 

Laut Bittman setzen die meisten Unternehmen Edge Computing in Bereichen ein, in denen eine Reaktion in Echtzeit erforderlich ist, in denen viele Daten generiert werden, die nicht einfach oder kostengünstig hin und her übertragen werden können. Oder es dreht sich auch um halbautomatische Funktionen. Viele nähern sich dem Edge Computing als Erweiterung ihrer Cloud-Strategien, sagt er. Gartner geht davon aus, dass Unternehmen weltweit bis Ende des Jahres rund 332 Milliarden Dollar für Cloud-Services ausgeben werden, was einem Anstieg von 270 Milliarden Dollar im Jahr 2020 oder rund 23 Prozent entspricht.

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DJG/DJN/axw/smh

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May 04, 2021 04:32 ET (08:32 GMT)